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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Árni Thórarinsson
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»Die Pflicht ruft.«
    Bevor wir uns voneinander verabschieden, frage ich: »Dieser Todesfall mit der Frau aus dem Gletscherfluss – wird der untersucht?«
    Er schaut mich schon wieder scharf an. »Warum fragst du?«
    Ich überlege, ob ich ihm von meinem Telefonat mit Gunnhildur Bjargmundsdóttir erzählen soll. Aber ich traue ihr mehr als ihm, zumindest zum jetzigen Stand, wie er es ausdrücken würde. »Ich frag nur so.«
    »Wir warten noch auf den Obduktionsbericht. Ostern, Ferien, du weißt schon. Er sollte nach dem Wochenende vorliegen. Aber alles deutet auf einen Unfall hin.«
    Seine Abschiedsworte lauten: »Denk dran, dass du nicht in Reykjavík bist. Stell dich auf deine Umgebung ein. Sogar Elefanten können lernen, vorsichtig zu sein.«
     
    In Anbetracht der Stille im Büro des
Abendblatts
beginne ich, die Radiosender um ihre vielen Nachrichtenzeiten und die
Gratiszeitung
und den
Morgenboten
um ihre Ausgabe am Ostersonntag zu beneiden. Aber daran lässt sich nun mal nichts ändern. Manchmal werden die Letzten die Ersten sein. Manchmal werden die Letzten allerdings auch die Letzten sein.
    Ich nehme den Hörer, rufe bei der Polizei in Reyðargerði an und frage nach Höskuldur Pétursson, Ólafur Gíslis Hauptkommissarskollegen.
    »Am Apparat.«
    »Grüß dich, hier ist Einar vom
Abendblatt

    »Ja, hallo«, sagt er nicht unfreundlich, wirkt aber ziemlich gestresst.
    »Tja, also, ist es mir denn gelungen, Verantwortung zu zeigen, ohne die Wirklichkeit zu verfälschen?«
    »War schon okay. Ich kann mich nicht beschweren. Aber der Stadtratsvorsitzende war nicht sehr erfreut über das Foto seines Sohnes.«
    »Wäre es ihm lieber gewesen, wenn ich die Realität ein bisschen geschönt hätte?«
    »Kann ich nicht sagen. Jóhann macht sich natürlich Sorgen um den Burschen. Aggi ist kein schlechter Junge, auch wenn er gerade auf einem völlig falschen Weg ist.«
    »Ich glaube, ich hab Aggi vorgestern Abend beim Autokorso hier in Akureyri gesehen. Kann das sein?«
    »Ja, doch. Kann gut sein. Die Jungs haben mal wieder Hausverbot im Reyðin. Dann verlegen sie ihre Sauftouren gerne nach Akureyri.«
    »Dein Bruder Ásgrímur hat also die Schnauze voll von schlechten Nachrichten über Konflikte zwischen Zugezogenen und Einheimischen?«
    »Tja, Ásgrímur … Hör mal, woher weißt du eigentlich, dass wir Brüder sind?«
    »Die Welt ist klein.«
    Er schweigt. Ich höre Lärm im Hintergrund.
    »War denn vorgestern und gestern Abend alles ruhig?«
    »Vorgestern schon. Gestern Abend gab’s ein paar Probleme. Das Übliche. Nichts Besonderes. Spielt keine große Rolle.«
     
    Das Alten- und Pflegeheim Hóll liegt im nordwestlichen Teil der Stadt – ein dreistöckiges Gebäude mit zwei Flügeln, in einem nüchternen, nichtssagenden Stil, wie er typisch ist für Institutionen, die eher aus Pflichtgefühl und Sparsamkeit als aus sozialen und ästhetischen Gründen gebaut wurden. Beim Hereinkommen sieht man, dass die Mitarbeiter versucht haben, das Beste aus der Situation zu machen. Der Eingangsbereich und die Flure sind mit Blumen und Pflanzen behaglich dekoriert, was an das zu neuem Leben erwachte Hotel Reyðargerði erinnert.
    Gunnhildur Bjargmundsdóttir erwartet mich in dem ausladenden Aufenthaltsraum, in dem graugepolsterte Stühle und Sofas um einen großen Fernseher gruppiert sind.
    »Guten Tag, Gunnhildur«, spreche ich sie laut an.
    »Pssst«, tönt es von den graugepolsterten Stühlen und Sofas. »Psssst.«
    Auf dem Bildschirm sind ein Mann und eine Frau in einen dramatischen Wortwechsel auf Englisch verstrickt. Er ist sonnengebräunt, honigsüß und sieht mit seinen weißen Zähnen aus wie Trausti Löve. Sie ist eine Barbiepuppe mit Silikonbusen und einer unmöglich gestylten Frisur, die an eine dichtbelaubte Baumkrone mit Dauerwelle erinnert.
    »How could you do this to me?«, sagt er und zieht einen Flunsch, der offenbar sein Leiden zum Ausdruck bringen soll. »With my own brother?«
    »Oh, darling«, antwortet sie mit Theatertränen in den Augen, »I’m sorry. So sorry. I didn’t mean to. It just happened.«
    »Ja, da ist ganz schön was los, und es nimmt kein Ende«, flüstert Gunnhildur mir zu. »Die
Springfield Story
. Alle gucken Seifenopern. Ein anständiger Mord mit Blut und Kanonen wär mir lieber als dieser aufgeblasene Mist. Inspektor Morse oder Taggart. Was ist eigentlich aus diesen Gentlemen geworden?«
    Diese Gentlemen sind wohl überholt.
    Nach unserem gestrigen Telefonat hatte ich bereits die

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