Todesgott
Informationen habt oder weil ihr die Medien nicht informieren wollt?«
Hauptkommissar Ólafur Gísli Kristjánsson sieht mich scharf an, springt auf die Füße und baut sich vor mir auf wie ein Vulkan, der kurz davor ist, einen Lavastrom auf die umliegenden Dörfer zu spucken.
»Für wen hältst du dich eigentlich?«, fragt er mit ganz ruhiger Stimme, die einen absoluten Gegensatz zu seiner bedrohlichen Nähe darstellt.
»Ich-ich-ich bin Journalist«, stammele ich und stehe ebenfalls auf.
»Ich weiß, wer du bist«, sagt er weiter. »Du bist ein aufgeblasener Boulevardreporter aus der Hauptstadt mit großer Klappe, der glaubt, er könne es sich erlauben, Akureyri in den Dreck zu ziehen. Aber da hast du wohl was falsch verstanden.«
»Ich wollte nicht …«
»Ich weiß, wer du bist«, wiederholt er. »Du bist in Reykjavíker Polizeikreisen dafür bekannt, die Spielregeln nicht zu respektieren, die üblichen, vorgeschriebenen Informationswege zu umgehen und …«
»Ich lasse mir von niemandem sagen, was eine Meldung ist und was nicht …«
»… dich für Gottes auserwählten Wahrheitsapostel zu halten.«
»Das entscheide ja wohl ich. In diesem Land herrscht immer noch Meinungs- …«
»Solche Leute wie dich brauchen wir hier in Akureyri nicht.«
»… und Pressefreiheit …«
»Aber da du dich nun mal hergewagt hast, gibt es nur eins, was mich davon abhält, dich rauszuschmeißen.«
Ich stutze. »Ach? Was denn?«
Er geht wieder hinter seinen Schreibtisch und setzt sich. »Nein, wahrscheinlich ist es zweierlei. Erstens meine Gutmütigkeit und Toleranz gegenüber Unruhestiftern jeglicher Art.«
Er lächelt jetzt so breit, dass sein Gaumen durch die Lücke zwischen seinen Schneidezähnen schimmert.
»Nein, warte mal, es ist dreierlei«, feixt er. »Zweitens unsere Polizeipflicht, gut mit der Bevölkerung und den Medien zusammenzuarbeiten …«
Er weist mich an, mich wieder zu setzen.
»Und drittens?«, sage ich und wische mir den kalten Schweiß von der Stirn.
»Drittens werde ich meine Zweifel, zumindest vorübergehend, auf Bitte meines Freundes Ásbjörn zurückstellen.«
Ich atme erleichtert auf. »Uff, du bist also Ásbjörns Freund von der Polizeiwache?«
»Ich weiß, dass ihr nicht immer gut miteinander ausgekommen seid. Aber das zeigt ja nur, was für ein Prachtkerl Ásbjörn ist – eine zuverlässige, ehrliche Haut. Er hat mich gebeten, dich so zuvorkommend und rücksichtsvoll wie möglich zu behandeln.«
Ich bin sprachlos.
Wieder schaut er mich scharf an. »Was sagst du dazu?«
»Prima«, antworte ich lächelnd. »Ich bin dir und Ásbjörn zutiefst dankbar für euer Verständnis.«
»Bedank dich nicht bei mir, sondern bei Ásbjörn. Ich halte mich in erster Linie wegen seiner Bitte zurück.«
»Seid ihr Jugendfreunde?«
»Wir waren Klassenkameraden«, erklärt er. »Unzertrennliche Freunde. Ich bin ihm einiges schuldig.«
»Ach ja? Was denn?«
Ólafur Gísli setzt die Brille ab und putzt mit seinem blauen Polizeihemd die Gläser. »Ich war kein besonders guter Schüler. Ob du’s glaubst oder nicht.« Er grinst mir zu. »Hab mich mehr für Mädchen und Partys interessiert. Hätte vor die Hunde gehen und mich auf der anderen Seite dieses Schreibtischs wiederfinden können. Aber ich konnte mich immer auf meinen Freund verlassen. Eigentlich hat Ásbjörn mich durch das verflixte Abitur gebracht. Dann haben sich unsere Wege getrennt.«
»Sollen wir noch mal von vorn anfangen?«, frage ich und reiche ihm über den Schreibtisch meine Hand.
Er schüttelt sie mit festem Händedruck. »Machen wir«, grinst er immer noch. »Ásbjörn hat mich vorgewarnt. Er meinte, du würdest wahrscheinlich eine Diskussion vom Zaun brechen und versuchen, so viel wie möglich zu erfahren. Aber er hat auch gesagt, du wärst vertrauenswürdig, wenn du etwas versprochen hättest. Du wärst nur halb so schlimm, wie man meinen könnte.«
»Ich muss mich unbedingt bei ihm bedanken.«
»Allerdings kann ich dir zum jetzigen Stand der Ermittlungen wirklich nicht mehr Informationen über die Suche nach Skarphéðinn geben. Unter uns gesagt, ist mir die Sache nicht ganz geheuer. Alle behaupten, er sei ein so verantwortungsbewusster junger Mann.«
»Wo sucht ihr denn überhaupt?«
»In ganz Akureyri und der näheren Umgebung.«
»Und Skarphéðinn ist gestern Abend nicht nach Hause gekommen?«
»Das wissen wir nicht. Zumindest ist er nicht in seiner Wohnung.«
Er erhebt sich, diesmal ruhig und besonnen.
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