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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Árni Thórarinsson
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Vermutung, dass die alte Dame in der Welt englischer Krimiserien lebt, wo Leute in heruntergekommenen Hinterhöfen niedergestochen oder beim Roastbeef-Dinner auf Gutshöfen vergiftet werden.
    Was sie über das Schicksal ihrer Tochter erzählte, schien nicht in diese Welt zu gehören. Jedenfalls nicht in die Realität von Akureyri.
    Sie hatte sich am Telefon so echauffiert, dass ein Mitarbeiter angerannt kam und dem Spiel ein Ende machte. Ich wurde höflich gebeten, später noch einmal anzurufen.
    Was ich auch tat, als ich mit meiner Kaffeetasse und den Leckereien im Garten saß. Gunnhildur wollte mich unbedingt treffen, weshalb ich ins Alten- und Pflegeheim Hóll fuhr. Ich möchte alte Leute nicht abschreiben, bevor sie sich verabschiedet haben.
    Gunnhildur Bjargmundsdóttir ist eine schlanke, quirlige kleine Frau mit langem, grauem Haar, das in einem Zopf auf ihrem Rücken liegt. Sie stützt sich auf einen Stock, den sie nicht wirklich zu brauchen scheint. Ihre wässerigblauen Augen sind ständig in Bewegung. Ihre Gesichtshaut ist von den langen Jahrzehnten gegerbt, aber immer noch erstaunlich glatt. Sie strahlt die Würde einer Person aus, die zwar gebeugt, aber nicht gebrochen ist.
    Bei vielen Männern und Frauen in Gunnhildurs Alter scheint sich das Geschlecht im Alter aufgelöst zu haben. Zurück bleiben Menschen mit einem Seelenfrieden und einer inneren Schönheit, die sich nicht so leicht aus dem Gleichgewicht bringen lassen, die vom Leben unterschiedlich stark gezeichnet sind und sich von Teilnehmern in Zuschauer verwandelt haben; sie sitzen im Aufenthaltsraum, grauhaarig und kahlköpfig, warten auf die Abreise zum unausweichlichen Ziel und sehen
Springfield Story
, um die Zeit totzuschlagen. Nicht mehr lange in der Ewigkeitsrechnung, dann sitze ich auch dort bei ihnen.
    Nein, ich will niemanden wegen seines Alters abschreiben.
    Wir haben uns vom Lärm des Fernsehers in eine kleine Sitzecke im Flur zurückgezogen; trotzdem spreche ich laut.
    »Nicht so laut, mein Junge«, sagt Gunnhildur gereizt. »Glaubst du etwa, ich höre schlecht? Willst du die
Springfield-Story
-Mafia auf mich hetzen?«
    Ich bin verunsichert. Ist die alte Dame vielleicht doch durchgeknallt?
    »Nein, Gott bewahre«, murmele ich leise.
    »Gott!«, schnaubt sie. »Der bewahrt uns vor gar nichts. Der ist nutzlos.«
    »Es ist Ostern«, flüstere ich weiter. »Sollten wir zu Ostern nicht gottesfürchtig sein?«
    »Gottesfürchtig?« Jetzt hebt Gunnhildur selbst ihre Stimme. »Wie soll man jemanden fürchten, der aus dem Nichts alles erschaffen hat. Und das ist davon übriggeblieben.«
    »Was?«, flüstere ich und schaue mich um. »Was ist übriggeblieben?«
    »Nichts«, antwortet Gunnhildur und spricht wieder leiser. »Alles von nichts. Also: nichts. Null von null.«
    Einen Moment lang bin ich sprachlos.
    »Was hat Gott für meine Dísabjörk getan?«
    »Tja, ich weiß auch nicht.«
    »Das ist schnell beantwortet. Er hat nichts getan. Überhaupt gar nichts.«
    »Du meinst …«
    »Ich meine, Gott hat sie nicht vor dem bewahrt, was auf sie zukam. Er hat nichts getan.«
    »Was kam denn auf sie zu?«
    »Bosheit. Gehässigkeit. Niederträchtigkeit.«
    Sie beugt sich vor und flüstert mir ins Ohr: »Meine Dísabjörk ist ermordet worden. Sie ist kaltblütig ermordet worden.«
    »So kaltblütig, wie ein Mensch überhaupt nur sein kann?«, flüstere ich zurück.
    Sie erschrickt. »Ja. Woher weißt du das?«
    Ich wechsle lieber das Thema. »Wer hat sie denn ermordet?«
    »Geir, der Dreckskerl, natürlich! Wer denn sonst?«
    »Meinst du ihren Mann? Ásgeir Eyvindarson?«
    »Ja!« Ihre Stimme wird schriller. »Er und kein anderer!«
    »Warum sollte er seine Frau umbringen?«
    »Weil er boshaft, gehässig und niederträchtig ist.«
    Gunnhildur schaut mich mit ihren wässerigblauen Augen an, so als wolle sie mich zum Widerspruch herausfordern.
    »Und wie hat er das gemacht? Sie ist in Anwesenheit von Zeugen in den Fluss gestürzt. Entschuldige, Gunnhildur, wenn ich diese unangenehmen Umstände anspreche, aber sie ist mit dem Kopf auf einen Felsen geschlagen und an den Folgen des Aufpralls gestorben.«
    »Tja, dann«, sagt sie und lehnt sich wieder zurück, »glaubst du also auch, wie die Polizei, dass ich nur eine verrückte Alte bin, die zu viel Morse und Taggart geguckt hat?«
    Hier und jetzt finde ich keine direkte Antwort auf diese Frage.
    »Na ja, es lässt sich leicht so sagen«, taste ich mich vor, »was du da behauptest. Aber wo sind die

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