Todesgott
nicht erinnern.«
»Wie heißt er denn?«
»Ásgeir Eyvindarson. Er ist da drinnen in dem Krankenwagen. Bewusstlos, wie sie.«
»Was?«, stoße ich hervor. »Was ist denn mit ihm passiert?«
»Er ist ihr nachgesprungen«, antwortet Sigurpáll. Dann scheint die nervliche Anspannung auf einmal einen Redefluss auszulösen: »Ich war im ersten Boot und hab erst später gesehen, was passiert ist. Er ist hinterhergesprungen, hat sie aber nicht zu packen bekommen. Sie war schon ein Stück den Fluss runtergetrieben und er ihr nach. Wir konnten die beiden erst nach ein paar Minuten wieder rausfischen.«
»Was glaubst du, wie viele Minuten es waren?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht fünf. Vielleicht mehr. Vielleicht weniger. Es ging alles so schnell.«
»Hatten sie keine Rettungswesten an?«
Er schaut mich forschend an. »Natürlich.« Dann blickt er zu Boden, tritt mit voller Kraft einen Kieselstein in den Fluss und geht mit hängenden Schultern in Richtung Raststätte. Dort steht Jóa in der Türöffnung und schleckt ein Eis. Manche sind eben cooler als andere, denke ich und meine es ernst.
Ich versuche, zwei Polizeibeamte, die in ihrem Wagen sitzen, in ein Gespräch zu verwickeln. Sie sind wortkarg und haben dem, was ich bereits erfahren habe, nichts hinzuzufügen. »Wir müssen jetzt los«, sagt der Polizist, der am Steuer sitzt. »Ruf später beim Polizeirevier in Akureyri an. Oder im Krankenhaus.«
Plötzlich dringt ein schmerzerfüllter Schrei aus einer Männerkehle aus dem Krankenwagen. Ich kann nicht heraushören, ob es sich um körperlichen oder seelischen Schmerz handelt. Alle Anwesenden starren angsterfüllt auf den Wagen. Das Polizeiauto macht sich auf den Weg über die Brücke, und der Krankenwagen folgt ihm. Ich schaue ihnen nach, wie sie den Fluss überqueren. Im selben Moment wird das Blaulicht eingeschaltet, und der unheilverkündende Ton, an den man sich nie gewöhnen kann, tönt durch die regennassen, friedlichen Gemeinden des Skagafjords.
Ist der Abenteuertrip zu einem Unglückstrip geworden?
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2
Samstag
D ie Gipfel und Gebirgszüge, die von oben respekteinflößend und scharf wie aufrecht stehende Rasierklingen aussehen, erscheinen unten auf der Erde harmlos, stumpf und klobig. Als ich vor einer knappen Woche nach Akureyri flog, ähnelte der Schnee in den Schluchten den weißen, senkrechten Spitzen im Muster eines grauen Islandpullovers. Jetzt, auf dem Weg aus dem Öxnatal, besteht er nur noch aus schmutzigen Klecksen, die rechts und links am Fuß der Berge verstreut sind. In weiße Folie eingeschweißte Heuballen vom letzten Sommer sind die einzigen Lebenszeichen auf den farblosen Wiesen.
Wahrscheinlich werden die meisten dieser Ländereien früher oder später in den Besitz der Finanzhaie übergehen, für die die Zukunft der isländischen Landwirtschaft in Monopolbildung, größeren Produktionseinheiten, höheren Profiten und attraktiven Jahresabschlüssen liegt.
Die alten, überladenen Steinwarten am Straßenrand schießen vorüber wie Symbole einer längst vergangenen Zeit, eines Island, das nie mehr wiederkehrt.
Ich werde aus meinen trüben Gedanken gerissen, als Jóa aus einer Einkaufstüte von der Raststätte in Varmahlíð zwei kleine Schokoladeneier zieht und mir eines davon reicht.
»Ist das nicht viel zu früh? Eine Woche vor Ostern? Die soll man doch erst am Ostersonntag aufmachen und essen.«
»Früher, vor langer, langer Zeit«, antwortet Jóa wie in direkter Fortsetzung meiner Grübeleien beim Autofahren. »Heute ist alles erlaubt, zu jeder Zeit.«
Sie hat schon begonnen, ihr Schokoei anzuknabbern. Ich gebe ihr zu verstehen, dass ich nicht gleichzeitig Auto fahren und ein Osterei öffnen kann. Daraufhin bricht sie mein Ei in zwei Hälften und reicht mir den Zettel mit dem Sprichwort.
»Was ist es?«, fragt sie.
»Auf Schlechtes folgt oft Gutes.«
Jóa lacht laut auf, wobei sie unabsichtlich ein paar Schokokrümel aus dem Mund prustet. »Volltreffer!«
Ich schnaube und schmeiße den Zettel aus dem Fenster. »Welcher Spruch war in deinem?«
»Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen.«
»Merk dir das, Jóa«, sage ich lächelnd. »Denk dran, dass deine glückliche Zeit hier im Nordland mit mir und Ásbjörn bald zu Ende geht. Das ist schwer zu ertragen. Das ist wirklich schwer auszuhalten.«
Sie schüttelt grinsend den Kopf. »Ich hab nichts gegen das Landleben, wie so manch anderer.«
»Meinst du etwa mich?«, frage ich mit gespielter
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