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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Árni Thórarinsson
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aufgewühlt. Die Stimmung von Passanten und Interviewer entspricht dem Wetter.
    Wir brauchen eine halbe Stunde, bis wir es geschafft haben, fünf Antworten zu bekommen.
    Ein kleiner Junge: Der Jesus ist gestorben.
    Ein Mädchen im Teeniealter: Nichts Besonderes. Ich hab mir ein Video angeguckt.
    Ein Mann mittleren Alters: Da war irgendwas mit der Bibel … hm, ich weiß nicht mehr.
    Eine ältere Frau: Jesus wurde gekreuzigt.
    Ein Junge: Ich war bei einer Party und dann ab Mitternacht im Sjallinn. Diese Öffnungszeiten sind echt bescheuert. Worum geht’s eigentlich?
     
    Ja, worum geht’s eigentlich?
    Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass die Geschehnisse in der Karwoche vor zweitausend Jahren uns nicht dabei geholfen haben, das Leiden in unserem eigenen Leben zu verstehen, was auch immer die Pastoren sagen.
    Nachdem wir die Antworten auf die Frage des Tages im Kasten haben, versuche ich, ein paar kleine Meldungen über dies und das im städtischen Leben zusammenzuschustern. Baupläne für einen neuen Supermarkt am Stadtrand verstärken die Besorgnis der Geschäfteinhaber in der Innenstadt über den zunehmenden Niedergang des Zentrums. Bänke-Berserker auf frischer Tat ertappt. Bei zehn Gästen einer Tanzveranstaltung am Ostermontag wurden Drogen gefunden. Neue Auseinandersetzungen über den möglichen Zusammenschluss von FC -Akureyri und Thor 96.
    Mein Artikel über den Leichenfund auf dem Schrottplatz nimmt die gesamte erste Seite des
Abendblatts
ein. Die Kurzmeldung aus Reyðargerði steht auf der letzten Seite mit einem Hinweis auf den Bericht im Innenteil.
    Trotz der Euphorie über die Exklusivmeldung bin ich irgendwie lethargisch und schlapp. Zweifelsohne eine unmittelbare Spiegelung des Wetters, verbunden mit Erschöpfung nach der vielen Arbeit.
    Um mir die Zeit zu vertreiben, rufe ich Hannes an.
    »Ausgezeichnete Leserquote heute, mein Bester«, sagt er.
    Vielleicht wollte ich das nur hören. »Ich hab trotzdem langsam genug von diesen Spritztouren nach Reyðargerði. Trausti kann anscheinend an nichts anderes mehr denken.«
    »Immerhin ist ein guter Bericht dabei rausgekommen. Da ist was im Anflug.«
    »Ja«, gebe ich zu, »da ist was im Anflug. Aber hat das Interesse des Ressortleiters nicht eher politische Gründe?«
    »Die Gründe für sein Interesse gehen dich nichts an. Du fährst dahin und schreibst politisch neutrale Artikel.«
    Ich stelle Hannes lediglich auf die Probe. Ich weiß schon lange von seinem engen Verhältnis zu Sigurður Reynir, dem Oppositionsführer. Bis jetzt bin ich der Art dieses Verhältnisses allerdings noch nicht auf den Grund gekommen. Bis jetzt hat Hannes die Zeitung, soweit ich das überprüfen konnte, nicht zum Sprachrohr der Sozialdemokraten oder der Opposition gemacht. Er hat immer im Sinne des Blattes oder seiner eigenen Belange beim Machtkampf innerhalb der Zeitung gehandelt, was letztendlich zur Fusion und Gründung der Isländischen Mediengesellschaft führte. Nach dieser Fusion und dem Ausscheiden des früheren Geschäftsführers Guðbrandur sowie der Ressortleiterin Politik Sigríður, die sich mittlerweile geoutet hat und für die Konservativen kandidiert, hätten boshafte Menschen behaupten können, die Zeitung und die Sozialdemokraten seien zwei Seiten derselben Münze. Ich hoffe, dass nur boshafte Menschen das behaupten.
    Ich habe Hannes bisher noch nie danach gefragt, obwohl ich es schon lange vorhatte. Jetzt nutze ich die Gelegenheit: »Wie ist das eigentlich, Hannes, war Trausti Löve dein Wunschkandidat für den Job des Ressortleiters? Hast du dich für ihn eingesetzt?«
    Er zögert die Antwort hinaus, indem er sich eine Zigarre anzündet. »Wenn neue Teilhaber zu einer Zeitung stoßen, ist eine solche Personalentscheidung immer ein Kompromiss, mein Bester. Es gab verschiedene Ansichten. Die mussten berücksichtigt werden.«
    Offenbar hat er nicht vor, meine Frage zu beantworten. »Warum antwortest du mir nicht, Hannes? War die Anstellung von Trausti deine Idee?«
    »Einar, ich bin selbstverständlich nicht befugt, über die Entscheidungen bei Meetings der Geschäftsführung und der Eigentümer zu sprechen.«
    »Wäre es denn eine falsche Schlussfolgerung, wenn ich davon ausginge, dass du mir antworten würdest, wenn es deine Idee gewesen wäre?«
    »Tja …«
    »War es der große, mächtige Teilhaber, der Trausti einstellen wollte?«
    »Zum Glück gibt es auch viele kleine Teilhaber in dieser Firma. Und wenn die zusammenhalten, können sie auch groß und

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