Todesgott
mächtig werden.«
»Aber nicht so groß wie der Größte?«
»Wie gesagt, bei wichtigen Entscheidungen in einer Zeitung müssen verschiedene Ansichten berücksichtigt werden. Manchmal setzt sich der eine durch und manchmal der andere. Das ist nun mal der Lauf der Dinge. Ich bin einer der kleineren Teilhaber und versuche, meinen Einfluss für das Wohl der Zeitung einzusetzen. So ist das, mein Bester. So ist das.«
»Wenn das so ist, dann möchte ich dich bitten, deinen Einfluss bei nächster Gelegenheit geltend zu machen, um diese Witzfigur aus dem Chefsessel zu hebeln. Trausti Löve sollte in Zukunft lieber über die Frühjahrs- und Herbstmode für Herren oder die Wein- und Speisekarten von Restaurants schreiben.«
Er bläst den Zigarrenrauch aus. »Wir werden mal sehen. Geben wir ihm eine Chance. Wie anderen auch. Du hast im Laufe der Zeit auch Fehler gemacht, so wie wir alle. Und du hast trotzdem eine zweite Chance bekommen.«
Ich spüre, dass meine Verachtung und Geringschätzung für den neuen Ressortleiter zu weit gehen. Ich habe begonnen, ihm nur das Schlechteste zu wünschen. »Meine Wünsche sind gewaltig und grenzenlos. Und am Anfang war der Wunsch. Die Wünsche sind die Seelen der Menschen«, sagte Loftur.
In einem weißgestrichenen Steinhaus in der Skipagata, nur ein paar Minuten zu Fuß von der Niederlassung des
Abendblatts
entfernt, befinden sich die Büros der
Akureyri-Post
in der ersten Etage über einem Optikerladen. Die Grundfläche ist ungefähr genauso groß wie unsere. Der Innenausbau orientiert sich allerdings an dem unsinnigen Stil moderner Designer, bei dem alle Wände eingerissen und ein »offener, heller, attraktiver Bereich« geschaffen wird. Das Ergebnis ist, dass sich alle auf der Pelle hängen, man nicht in Ruhe telefonieren und kaum atmen, geschweige denn niesen kann, weil sonst eine allgemeine Unruhe entsteht. Vom Rauchen ganz zu schweigen.
Unbestreitbar so »wie in unseren Nachbarländern«.
Da habe ich dann doch lieber meinen eigenen Schrank.
Als ich den offenen Bereich, was nichts anderes als eine affektierte Bezeichnung für Zimmer ist, betrete, sitzt Jóa auf einem Stuhl, die Füße auf Aðalheiður Heimisdóttirs Schreibtisch. Zwei Mitarbeiter versuchen an zwei anderen Schreibtischen zu arbeiten. Die Tische sind aus Glas und Edelstahl und würden hervorragend in eine Diskothek passen. Die Stühle sind aus Edelstahl und Leder. Alles ist perfekt aufgeräumt und piekfein.
»Grüßt euch«, flüstere ich, so als wäre ich in einer Bibliothek. »Wie geht’s?«
»Es geht«, antwortet Aðalheiður lächelnd und ohne zu flüstern.
Vielleicht gewöhnt man sich ja an diesen offenen Bereich, denke ich.
Jóa fühlt sich wie zu Hause. »Trinken wir einen Kaffee«, sagt sie und zeigt auf eine Tür in der hinteren Wand des offenen Bereichs, die mir jetzt erst auffällt.
Ein normales Zimmer hat also doch überlebt.
Die Kaffeestube der
Akureyri-Post
ist fünfmal so groß wie mein Schrank, weiß gestrichen und mit weiteren Möbeln aus Edelstahl, Glas und Leder ausgestattet.
»Hast du einen Werbevertrag mit dem Laden
Glas und Edelstahl
?«, frage ich Aðalheiður. »Im Gegenzug für die Möbel dürfen sie Anzeigen schalten?«
»Genau so ist es«, antwortet sie und stellt eine Tasse in den Kaffeeautomaten. »In der Not lernt eine nackte Frau zu dealen.«
Wir nehmen in Stahl und Leder Platz und unterhalten uns über die allgemeinen Neuigkeiten in Akureyri.
Dann frage ich Aðalheiður: »Hast du was Neues über die Sache mit Skarphéðinn Valgarðsson gehört? Was sagen deine Kontaktleute?«
Ihre Augen bekommen einen spöttischen Glanz. »Du glaubst doch wohl nicht, dass ich dir das erzähle! Soll ich dir etwa meine Exklusivnachrichten überlassen?«
»Entschuldige. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sich die
Akureyri-Post
viel aus sogenannten Negativschlagzeilen macht und sich in Klatsch und Tratsch suhlt, so wie wir Skandalblätter aus der Hauptstadt.«
»Nein. Wir möchten in erster Linie ein positives Bild des Alltags in Akureyri vermitteln. Das erwarten unsere Leser. Aber natürlich berichten wir über alle Vorkommnisse. Natürlich bringen wir am Donnerstag eine Meldung über diese Geschichte.«
»Man kann also auch verantwortlich handeln, indem man die Wirklichkeit verzerrt.«
»Tja …«
»Und sie ab und zu ein bisschen schönt?«
Sie lächelt. »Du solltest mal ein paar Monate lang mit mir tauschen. Danach wärst du ein anderer Mensch.«
»Ein besserer
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