Todesgott
viele legale Medikamente werden auf illegale Weise in Umlauf gebracht. Vor ein paar Wochen ist zum Beispiel eine riesige Menge aus einer Apotheke gestohlen worden. Ab und zu verschwinden Medikamente aus Krankenhäusern. Und es wird natürlich immer geschmuggelt. Mittlerweile ist die Gruppe, die legale Medikamente konsumiert, genauso groß wie die, die illegale Drogen nimmt.«
»Und es gibt keine Anzeichen von Gewalteinwirkung oder Ähnlichem, was einen Selbstmord in Frage stellen könnte?«
»Bei Sólrún? Nein, nichts dergleichen.«
»Wo hat man sie gefunden?«
»In ihrem Zimmer im Internat.«
»Stammte sie aus Akureyri?«
»Nein, aus Reykjavík.«
Mir fallen keine weiteren Fragen mehr ein, und ich bedanke mich. »Ich schreibe selbstverständlich nichts über den Selbstmord. Ich mache nur Recherchen über den Drogenmarkt hier im Nordland.«
»Viel Glück«, antwortet die Polizistin. »Da gibt es genügend Stoff.«
Was jetzt?, frage ich mich und gebe mir selbst mehrere Antworten zur Auswahl. Soll ich den Lehrer Kjartan Arnarson anrufen? Oder die Hunderetterin Ásbjörg Sigrúnardóttir, die Sólrún ein bisschen kannte? Soll ich versuchen, die beiden Mädchen ausfindig zu machen, die mit ihr zusammen bei der Frage des Tages auf dem Rathausplatz waren?
Im Moment sehe ich keinen Sinn darin, diese Spur weiterzuverfolgen. Drogen und Selbstmord. Selbstmord und Drogen. Alltägliche Dinge. Waste of time, wie Ólafur Einarsson es ausdrücken würde. Dennoch deprimiert es mich, dass ein junges, lebhaftes Mädchen mit Flausen im Kopf von dem Gefühl durchdrungen war, ihr Leben sei Zeitverschwendung.
»Der Helm des Ægir? Warum um Himmels willen interessiert sich die Skandalpresse auf einmal für alte magische Runen? Ist schon Sauregurkenzeit?«
Diese Frage stellt mir ein alter, weltabgekehrter Isländischprofessor, der mir nach einigen Telefonaten quer durch die nationale Forschergemeinde empfohlen wurde.
Die Nörgelei über die Skandalpresse geht mir langsam auf die Nerven. »Ich versuche lediglich, mich zu informieren.«
»Wozu?«, fragt Professor Ingimundur Kjaran. »Wer interessiert sich denn für so etwas? Interessiert sich überhaupt irgendjemand für irgendetwas, wenn dabei kein Geld im Spiel ist?«
»Tja, ich kann mir nicht vorstellen, dass man heutzutage mit Hexerei Geld verdienen kann. Ich frage, weil ein junger Gymnasiast hier im Nordland sich für den Helm des Ægir interessiert hat. Kurz nachdem er sein Interesse bekundet hat, wurde er ermordet.«
Ingimundur schweigt. »Meinst du den Jungen, der an Ostern auf dem Schrottplatz gefunden wurde?«
»Genau.«
»Ja, welch eine Ungeheuerlichkeit.«
Genau. Fucking shit.
»Kannst du mir etwas über dieses Symbol sagen? Den Helm des Ægir?«
»Tja, da gibt es einiges, wenn man sich näher damit beschäftigt«, antwortet Ingimundur mit schleppender Stimme. »Zunächst muss der Helm des Ægir nicht unbedingt eine magische Rune sein. Es kann sich, wie das Wort schon zu erkennen gibt, um einen Helm oder eine Maske handeln, die Angst und Schrecken erzeugt. Die Rune Helm des Ægir wird oftmals in Quellen aus dem 17. Jahrhundert erwähnt und auf verschiedene Weise beschrieben. Im Allgemeinen kann man sagen, dass der Helm des Ægir eine Art Kreuz mit drei Zacken an jedem Ende ist. Drei Zacken zeigen nach oben, drei nach unten und drei nach rechts und links. Was hat der arme Junge denn mit dem Helm des Ægir angestellt?«
»Das weiß ich leider auch nicht genau. Er hat beispielsweise bei einem Fest verkündet, er trage vor den anderen den Helm des Ægir.«
»Tjajaja.« Der Professor frohlockt. »Dann hat er den Begriff nicht als magische Rune verwendet. Die Redewendung ›vor jemandem den Helm des Ægir tragen‹ ist jahrhundertelang erhalten geblieben und wird erfreulicherweise heute noch verwendet, auch wenn die meisten ihren Ursprung nicht kennen. Es bedeutet schlicht und ergreifend, dass man sich überlegen fühlt, andere dominieren oder anführen möchte. Ist das alles? Oder verbirgt sich noch mehr hinter deiner Frage?«
»Ich kenne diese Redewendung und verstehe ihre Bedeutung«, erwidere ich, »aber da war noch etwas anderes. Er trug eine Art Kutte oder Gewand und hatte die Rune draufgeklebt.«
»Was soll denn dieser Unfug? Ein Junge, der sich verkleidet? Zur allgemeinen Belustigung?«
»Nein, das ist noch nicht alles. Es war ja kein Weihnachtsmann- oder Superman-Kostüm.«
Er wartet. Ich bin nicht sicher, ob er weiß, wer Superman ist.
»Er
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