Todesgott
Schule?«
»Ich bin so wenig wie möglich in dieser Scheißschule, Mann. Skarphéðinn hat mir immer bei allen Prüfungen und Aufsätzen geholfen.« Er verstummt und zieht wieder die Nase hoch. Vielleicht ist er einfach nur durcheinander. »Keine Ahnung, wie das jetzt weitergehen soll. Ohne Skarphéðinn.«
Wer war Skarphéðinn Valgarðsson? Ich habe den Eindruck, je mehr ich über ihn erfahre, desto weiter entferne ich mich von der Antwort. Je mehr ich weiß, desto weniger weiß ich.
Das versuche ich Trausti Löve klarzumachen. Ich erzähle ihm, dass ich noch längst kein vollständiges Charakterbild des Verstorbenen liefern kann und keine Ahnung habe, wann es so weit sein wird. Trausti reagiert genau so, wie zu erwarten war.
Seine Nörgelei nervt mich so sehr, dass ich Hannes anrufe, nicht unbedingt, um mich zu beschweren, sondern um das Einverständnis einer höheren Instanz zu erbitten, meine Arbeit nach Vernunftkriterien und nicht nach dem Ergebnis eines Schwanzgrößenvergleichs fortführen zu dürfen.
»Ich rede mit Trausti, mein Bester«, sagt Hannes und stöhnt vor Erschöpfung oder Reizüberflutung. »Konzentrier dich erst mal ausschließlich auf diese Sache. Bis etwas anderes entschieden wird.«
Im Hinblick auf Ásbjörns heutigen Zustand habe ich kein Bedürfnis, hochzugehen und ihn um die übliche Kontaktaufnahme mit Ólafur Gísli zu bitten. Mit Nikotinunterstützung denke ich gerade über dieses Problem nach, als am Empfang ein schwaches Winseln erklingt. Kurz darauf erscheint Ásbjörn mit Snúlli an der Leine im Türrahmen. Er sieht aus wie ein ausgewrungener Putzlappen; der Hund ist ein Nervenbündel.
»Einar«, sagt er. »Würdest du bitte aufhören zu rauchen? Karó dreht bald durch. Sie sagt, sie kann keinen Schrank mehr aufmachen oder sich aufs Bett legen, ohne dass Qualm vor ihr aufsteigt. Sie sieht deine Rauchwolken durch die Dielenbretter.«
Ich weiß nicht, ob ich lachen oder wütend werden soll. »Ich bitte um Vergebung. Hast du diesen Qualm auch gesehen?«
Er lässt den Kopf hängen. »Ich bin mir nicht sicher. Sie ist ziemlich durcheinander. Verliert schnell die Nerven.«
Ich schmeiße die Zigarettenkippe gegen den Giebel des Nachbarhauses. »Hat sie irgendein Problem? Abgesehen von meinem Qualm?«
»Ja, hat sie. Aber ich weiß nicht, was. Karó ist so sensibel.«
»Ihr wollt mir also mein letztes Vergnügen verbieten?«
»Aber nicht doch«, protestiert Ásbjörn.
»Na gut, ganz zu euren Diensten.«
»Versuch doch einfach mal, dein verdammtes Vergnügen ein bisschen einzuschränken. Du bist nicht allein auf der Welt, Einar.«
»Bist du sicher?«
»Wer sich ständig über Umweltverschmutzung und Rücksichtslosigkeit gegenüber der Natur beschwert, sollte seinen Mitmenschen gegenüber vielleicht mal dieselbe Sorge an den Tag legen.«
Ich muss gestehen, dass ich das aus diesem Blickwinkel noch nie betrachtet habe.
Aber Ásbjörn hat andere Dinge im Kopf, als sich über mich zu beschweren. Zitternd tätschelt er den Köter. »Diese Ásbjörg, die Snúlli gefunden hat, kommt jetzt ziemlich oft vorbei. Nur, um den Kleinen zu besuchen. Er hängt sehr an ihr. Aber Karó kann das nicht länger ertragen und steht jedes Mal kurz vorm Nervenzusammenbruch, wenn das Mädchen wieder weg ist. Ich weiß wirklich nicht, was …«
Ich grübele schon länger über die angespannte Atmosphäre auf der Etage über mir nach und bin davon überzeugt, dass sie mit irgendwelchen Gefühlswallungen in Verbindung steht. Alles begann kurz nach Skarphéðinns Tod, und der war ja angeblich ein großer Herzensbrecher, sowohl bei älteren als auch bei jüngeren Frauen. Ob Karó ein Verhältnis hatte?
Lieber wechsle ich das Thema. »Ásbjörn, ich müsste mal kurz mit Ólafur Gísli sprechen und ihm berichten, was ich heute gehört habe.«
Und dann erzähle ich ihm ausführlich von meinem Gespräch mit Ólafur Einarsson, der vielleicht so ist, wie sein Namensvetter Ólafur Gísli geworden wäre, wenn Ásbjörn ihn nicht davor bewahrt hätte. Aber das Unanständige lasse ich weg. Die Sache mit dem Schamhaar.
Als ich den Hauptkommissar endlich gegen zehn Uhr abends erreiche, gibt es keine Neuigkeiten bei den Ermittlungen von Skarphéðinn Valgarðssons Tod. Ólafur Gísli ist zu Hause. »Zum ersten Mal seit über einer Woche bin ich vor Mitternacht zu Hause«, ächzt er vor Wohlbehagen über die Frikadellen, die seine Frau für ihn aufgewärmt hat und die er nun verdaut.
»Meine Frau hat
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