Todesgott
einen Körnerhappen für mich aufgewärmt«, sage ich. »Ein wahrer Genuss, diese alte, isländische Hausmannskost. Nahrhaft und gut verdaulich.«
Zum Glück fragt er nicht weiter nach. Ich vermute, er preist sich glücklich, eine so gute Partie gemacht zu haben.
»Ásbjörn hat mir von deinem Gespräch mit meinem Namensvetter Ólafur erzählt. Wie fandest du ihn?«
»Nicht gerade einer der Klügsten. Ich könnte mir gut vorstellen, dass er etwas wesentlich Stärkeres genommen hat als Hoffmannstropfen.«
»Sehe ich auch so«, sagt Ólafur Gísli. »Wir fühlen diesen Flegeln aus Reyðargerði übrigens auf den Zahn. Wir wissen, und zwar nicht nur von meinem Namensvetter, dass sie bei der Party waren und sich mit Skarphéðinn angelegt haben.«
»Wisst ihr auch, warum sie sich mit ihm angelegt haben?«
»Nein, das ist noch unklar. Aber lass das bloß nirgendwo durchsickern. Sie sollen auf keinen Fall Wind davon bekommen, dass sie unter Verdacht stehen.«
»Steht eine Verhaftung an?«
»Nicht sofort. Vielleicht ein Verhör. Wir werden sehen. Du schreibst erst mal nichts darüber. Nichts von dem, was ich dir heute sage.«
Sein letzter Satz klingt nicht wie ein Befehl, sondern wie ein unumstößlicher Beschluss.
»Nein, Chef. Ich folge dir durch dick und dünn«, entgegne ich. »Darf ich eine Frage stellen?«
»Wenn sie verdammt noch mal schlecht genug ist.«
»Hat sich herausgestellt, ob Skarphéðinn kurz vor seinem Tod etwas eingenommen hat? Alkohol oder Drogen?«
»Oh nein. Er war clean wie ein blitzblanker Kinderpopo. Nächste Frage.«
»Es lässt sich wohl nicht mehr feststellen, ob Skarphéðinn kurz vor seinem Tod Geschlechtsverkehr hatte, oder?«
»Scheint ausgeschlossen, zumindest unter technischen Gesichtspunkten. Er hatte zu starke Verbrennungen.«
»Welche Kleidung trug er, als man ihn fand?«
»Kleidung? Hast du vergessen, dass die Leiche angezündet wurde?«
»Die Kleidung war also nur noch ein Aschehaufen?«
»Nicht ganz. Wir haben Reste eines groben schwarzen Stoffes gefunden.«
»Und die könnten von diesem Kleid oder Gewand oder was auch immer es war stammen?«
»Höchstwahrscheinlich.«
»Sonst noch was?«
»Höchstwahrscheinlich ja. Auf den Stoff war mit weißem Isolierband eine Art Symbol geklebt. Es sieht aus wie zwei überkreuzte Stangen mit dreizackigen Enden.«
»Was zum Teufel ist das?«
»Unsere Spezialisten haben einen Runenexperten kontaktiert, mit dem ich eben gesprochen habe. Er sagt, es handele sich um eine magische Rune. Ich habe ihm eine Zeichnung von dem Symbol gefaxt, er hat mich dann zurückgerufen.«
»Und was hat er gesagt?«
»Er meint, es handele sich ohne Zweifel um eine magische Rune, die Helm des Ægir genannt wird.«
»Sonst noch irgendwelche Neuigkeiten?«, hatte ich gefragt, bevor wir uns verabschiedeten.
»Nichts, was für die Medien bestimmt ist. Wir hatten einen Selbstmordfall.«
»Was war da los?«
»Depressionen und Drogen. Drogen und Depressionen. Das Übliche. So was ist immer tragisch.«
»Wer?«
»Eine junge Gymnasiastin. Sólveig oder Sólrún oder so ähnlich.«
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15
Samstag
B evor ich aufs Gymnasium kam, lernte ich eine Wahrheit, die keineswegs selbstverständlich ist: Wenn man zwei und zwei zusammenzählt, erhält man nicht zweiundzwanzig.
Diesen Gedanken im Kopf, beginne ich meinen Arbeitstag damit, bei der Polizei anzurufen und nach jemandem zu verlangen, der mir Fragen zur Untersuchung des Selbstmords der Schülerin Sólrún Bjarkadóttir, meiner Interviewpartnerin vom Rathausplatz, beantworten kann. Ich werde mit einer Polizistin verbunden, der ich, wenn ich mich recht erinnere, schon einmal begegnet bin, als ich mich kürzlich auf der Polizeiwache postiert habe.
»Sie hat eine Überdosis Tabletten genommen«, erklärt sie. »Soweit wir wissen, hatte sie seit ungefähr einem Jahr ziemliche Probleme.«
»Was für Tabletten waren das?«
»Es ist noch zu früh für eine Interpretation der Untersuchungsergebnisse. Aber neben ihr lagen leere Packungen von Beruhigungstabletten und ein paar Ecstasy-Pillen.«
»Gab es für diese Beruhigungstabletten ein Rezept?«
»Nicht für alle.«
»Wo bekommt man solche Medikamente ohne Rezept?«
»Es ist eine ungeheure Menge rezeptfreier Medikamente, aber natürlich auch illegaler Substanzen im Umlauf. Manche Ärzte verschreiben hemmungslos an Süchtige. Andere verschreiben solche Medikamente in gutem Glauben, und die Patienten verkaufen sie dann an Süchtige weiter. Und
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