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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Árni Thórarinsson
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hat unter die Kutte gegriffen und sich ein Schamhaar ausgerissen.«
    Der Professor am anderen Ende der Leitung atmet heftig.
    »Dann hat er sich eine Wimper ausgezupft, beide Haare angezündet und die Asche ins Glas eines Mädchens getan.«
    Er sagt kein Wort.
    »Ohne, dass sie es bemerkt hat«, füge ich hinzu.
    »Das klingt schon interessanter«, sagt Ingimundur nach einer Weile, »obwohl der Junge gewiss nur oberflächlich mit der Bedeutung magischer Runen vertraut war und sich spielerisch damit auseinandergesetzt hat. Meines Wissens ist die Vorgehensweise des Buben, wie du sie beschrieben hast, eine Art Liebeszauber, um ein Mädchen zu betören und zu verführen.«
    »So wie man mittlerweile in Diskotheken Drogen in Gläser tut?«
    »Das ist mir nicht bekannt. Ich gehe nie in sogenannte Diskotheken«, schnaubt Ingimundur, der davon auszugehen scheint, ich habe ihn in seiner Eigenschaft als Fachmann für moderne Unterhaltungskultur befragt.
    »Die Anwendung der magischen Rune Helm des Ægir war diesbezüglich wesentlich komplizierter. Wer eine Frau durch Hexerei betören wollte, musste zunächst fasten und anschließend mit seiner eigenen Spucke die Rune in seine rechte Hand zeichnen. Danach musste er das Mädchen mit Handschlag begrüßen. Durch die Körperflüssigkeit sollte sich die Macht der Rune nun wie gewünscht auf das Mädchen übertragen. Man deutet das Ritual so, dass die Spucke den Samen symbolisiert und die Berührung der Hand des Mädchens dem Geschlechtsverkehr entspricht. Du siehst also, dass sich der Knabe nicht genau damit ausgekannt oder sich zumindest für mehr Effekthascherei entschieden hat. Wahrscheinlich fand er es so lässiger, wie man heute sagt. Aber der Zweck des Rituals war bestimmt derselbe.«
    »Das Mädchen rumzukriegen?«
    »Wenn du es so ausdrücken möchtest. Augenblick. Ich schlage das mal kurz nach.«
    Ingimundur legt den Hörer einige Minuten lang zur Seite. »Hier ist es«, sagt er, als er wieder zurück ist. »Im sogenannten Zauberbuch, einer Handschrift aus dem 17. Jahrhundert, steht unter anderem über den Helm des Ægir: ›Zeichne ihn dir sodann mit Spucke in die Hand, mit der du das Mädchen, welches du besitzen möchtest, willkommen heißt. Es muss die rechte Hand sein.‹ Ja, dann habe ich mich ja nicht getäuscht. Und der Junge hat diese Formel nicht befolgt?«
    »Soweit ich weiß, nicht.«
    »Es gibt natürlich noch zahlreiche weitere alte Liebeszauber, aber das würde zu weit führen. Der Helm des Ægir galt als besonders machtvolle Rune, nicht nur für diesen Liebeszauber, sondern grundsätzlich, um den Widerstand einer anderen Person zu brechen. Dabei ging es nicht nur um Frauen, die der Zauberer verführen wollte, sondern auch um üble Mächte oder Feinde. Der Helm des Ægir diente also nicht nur dazu, Frauen gefügig zu machen«, fährt er fort, »er soll auch zum Heilen verwendet worden sein. So gab es beispielsweise einen Mann, der mit Hilfe des Helms des Ægir sein krankes Vieh heilen wollte. Der arme Kerl wurde allerdings dafür verbrannt, denn im 17. Jahrhundert nannte man das ›unerlaubte Heilmethoden‹. Heutzutage heißt es wohl ›alternative Heilmethoden‹ und ist ein gutes Business, wenn ich mir ausnahmsweise dieses Fremdwort erlauben darf.«
    »Ist er auf den Scheiterhaufen gekommen?«
    »Ja, ja, er wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt. So wie man damals Hexen und Zauberer ins Jenseits zu befördern pflegte.«
    »Das ist alles sehr aufschlussreich«, sage ich. »Vielen Dank für deine Hilfe.«
    Der Professor schnaubt erneut. »Ich gehe nicht davon aus, dass meine Hilfe dazu beiträgt, ein modernes Verbrechen aufzuklären. Aber …«
    »Aber?«
    »Es ist durchaus bemerkenswert, dass dieser junge Mann überhaupt an die Macht der Runen und speziell an den Helm des Ægir geglaubt hat – eine magische Rune mit dem widersprüchlichen Anliegen, sowohl Liebe als auch Furcht heraufzubeschwören und Kranke zu heilen. Aber er hat sich bestimmt nur amüsiert, wie man wohl sagt.«
    »Er sollte übrigens die Hauptrolle bei der
Loftur
-Aufführung des hiesigen Schultheatervereins spielen.«
    »Ach so. Das könnte natürlich sein Interesse an den alten Wissenschaften beflügelt haben. Sehr wahrscheinlich. Dann wird die ganze Geschichte verständlicher.«
    Da bin ich mir nicht so sicher.
    Bevor wir uns voneinander verabschieden, fragt er: »Nur aus Interesse: Wie erging es dem Knaben denn mit dem Mädchen?«
     
    Am Nachmittag gibt es Neuigkeiten aus der

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