Todesgruß vom Gelben Drachen
die
Terrassentür offen ist. Sofort fiel mir der Schatz ein. Vielleicht, dachte ich,
ist die Alte nicht zu Hause. Greise sind vergeßlich. Wie leicht wird übersehen,
daß die Hintertür offen ist. Ich also hin. Aber sie war da, saß im Sessel und
schlief. Trotzdem bin ich reingeschnürt. Ich habe einige Zimmer abgelatscht und
mich umgesehen. Auf das Versteck bin ich gestoßen, weil die Diele etwas
angehoben war. Vielleicht hatte die Alte gerade nachgesehen, ob der Hort noch
am Platz ist. Tja, und wie ich mit der Kassette unterm Arm abziehen will,
grunzt die Adelsdame. Sie wurde wach und wollte gerade aufstehen. Sie hätte
mich gesehen. Da habe ich... hinterrücks... Aber nicht sehr fest. Wirklich
nicht. Nur gerade so, daß sie weiterschläft. Ahnte ja nicht, daß ihr Kopf so
empfindlich ist. Dann bin ich getürmt. Ab in den Wald.“
„In der Presse heißt es, der Täter sei
gestört worden.“
„Nee. Ich nicht. Möglich, daß dann wer
kam. Aber da war ich schon weg.“
„Hast du den Chinesen gesehen?“
Armin schüttelte den Kopf. „Als ich
getürmt bin, war niemand da.“
Detl zog den Reißverschluß seiner
Fliegerjacke auf und zu, immer wieder. Armin sah nicht hin, weil es ihn nervös
machte.
„So wie du dir das denkst mit der
Aufteilung“, sagte Detl, „läuft das nicht mehr. Ich bin dein Alibi-Zeuge. Aber
nicht für 20 Prozent von der Kohle. Jetzt läuft es umgekehrt, klar?“
„Umgekehrt?“ schnappte Armin. „Spinnst
du?“
„Das ist nur gerecht. 80 Prozent für
mich, 20 für dich.“
„Mann, ich hatte die Mühe.“
„Du meinst, du hast das Verbrechen
verübt, stimmt! Wenn du mich verärgerst, kannst du die Klunkern gleich in den
Fluß schmeißen.“
Armin dachte nach, trank noch einen
Korn und nickte schließlich. „Also gut.“
„Du willst was beiseite schaffen von
dem Schmuck — und dann heimlich verhökern. Ist nicht drin, Sportskamerad. Wir
düsen jetzt gleich zu diesem Scheffel. Ich bin dabei, wenn er ankauft.“
Ein paar wutrote Flecke malten sich
wieder auf Armins Gesicht. Doch er nickte und grinste wie gewohnt.
Als sie die Pizzeria verließen, fegte
kalter Wind durch die Straßen. Ein Streifenwagen fuhr vorbei. Der Beamte auf
dem Beifahrersitz sprach ins Funktelefon.
An einem Riemen hängte sich Armin die
Aktentasche um. Erst als der Helm auf dem Kopf saß, erlosch das Grinsen.
Der Motor wummerte. Detl stieg auf.
Ganz wohl war ihm nicht. Er schätzte Armin als rücksichtslos ein — und mit
allen Wassern gewaschen. Begnügte der sich wirklich mit 20 Prozent? Oder hatte
er einen Trick vor?
Sie fuhren zur Frostriegel-Gasse, die
zum Altstadt-Kern gehört mit ihren ehrwürdigen Häusern. Die Gasse verläuft einbahnig,
kann also nur aus Richtung Wölpert-Platz befahren werden. Autos dürfen hier
nicht parken und Lkw nicht durchfahren.
Scheffels Antiquitäten-Geschäft
quetschte sich zwischen eine Fachhandlung für Surfbretter und
Meiers-kleinen-Zoo-Markt. Hamster, Zierfische und Kanarienvögel konnte man dort
kaufen — außerdem Futter und Zubehör für alles, was kreucht und fleucht und als
Haustier gehalten wird.
Sie parkten vor Scheffels Schaufenster.
Der Laden war dunkel. Schmal erstreckte
er sich ins Innere des Hauses.
Als sie eintraten, bimmelte eine Glocke
über der Tür.
Es roch nach Staub und altem Eisen.
Im Hintergrund wurde eine Tür geöffnet.
Scheffel näherte sich mit Schlurfschritten.
Detl gewahrte nur einen Schatten, der
sich vorbeischlängelte an Art Déco- und Jugendstil-Möbeln. Auch
Musik-Instrumente waren zahlreich vorhanden: eine Doppelpedal-Harfe aus dem 19.
Jahrhundert, ein französisches Kombinations-Klavier, ein Londoner Hammerflügel
von 1798 und eine Reihe alter Violinen, Gitarren und Cellos.
„Ah, mein Freund Armin“, knödelte eine
fettige Stimme.
Scheffel trat aus dem Schatten. Ein
großkarierter Anzug mit Weste umschloß die füllige Figur. Der Hals verschwand
zwischen den Schultern. Das Ballon-Gesicht saß direkt auf dem Kragen. Scheffel
hatte weder Wimpern noch Brauen, aber einen grauen Drei-Tage-Bart, was
unmöglich aussah.
„Tag, Scheffel“, sagte Armin in einem
Ton, der für Kumpel und Komplicen reserviert ist. „Vor meinem Freund Detl habe
ich keine Geheimnisse. Am Telefon sagte ich Ihnen ja schon, daß wir die
Tipperitzki-Klunkern gemeinsam gefunden haben... äh. Ist ein Hammer, was! Der
Täter bohrt in der Nase, und wir schlauen Burschen machen den Reibach. Die
Nachlese hat sich gelohnt“
„Das wird sich erst
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