Todesgruß vom Gelben Drachen
noch
nie gute Zeiten gesehen.
„Nehmen Sie den Fuß da runter!“ sagte
sie.
„Sonst?“
„Hier benimmt man sich anständig. Auf
Gäste, denen das nicht paßt, verzichten wir gern.“
„Weil ich verabredet bin, muß ich noch
einen Moment bleiben. Bringen Sie eine Cola mit Weinbrand. Aber dalli!“
Immerhin — er setzte den Fuß auf den
Boden.
Die Serviererin ließ sich Zeit mit der
Bestellung — aus Daffke (Berliner Ausdruck für „aus Trotz“).
Detl senkte die Mundwinkel, bis es
weiter nicht ging, und glotzte zur Tür.
Armin kam drei Minuten zu spät. Er
hatte eine Aktentasche bei sich. Aber die war zu schmal für den Detektor. Das
typische Armin-Flönke-Grinsen glänzte, als wäre es mit Speckschwarte
eingerieben.
„Hallo!“
Er ließ sich auf einen Stuhl fallen,
hielt sich die Aktentasche vor die Brust und blies schnapshaltigen Atem aus.
Detl nickte. „Hallo.“
Armin gröhlte der Servierin zu, daß er
einen doppelten Korn wolle, löste eine Hand von der Tasche und stieß Detl mit
der Faust an.
„Du glaubst es nicht“, raunte Armin. „Ich
habe ihn.“
„Was?“
„Ich habe ihn. Den Schatz! Ringe,
Ketten, Armreife, Gold, Brillanten, auch diesen Bergensee-Anhänger. O Mann!
Begreifst du? Es ist geschafft. Das heißt: Ich habe es geschafft. Aber du
kriegst trotzdem 20 Prozent.“
Detl starrte ihn an.
„Die Serviererin kam und brachte die
Getränke.
Armin wartete, bis sie außer Hörweite
war.
„Letzte Nacht“, erklärte er, „konnte
ich nicht schlafen. Ich grübelte und grübelte. Sollte ich dich anrufen?
Vielleicht wäre dein Onkel ausgeflippt. Also bin ich allein noch mal hin — ins
Tipperitzki-Haus. Unter einer Diele in diesem blauen Salon habe ich dann die
Kassette gefunden. Ganz zufällig, eigentlich. Ohne Detektor. Nach Nase. Es war
genau zwei Uhr früh.“
Detl machte schmale Augen. „Komisch!“
„Was? Wieso komisch?“
„So groß ist doch die Hütte gar nicht —
daß man aneinander vorbeiläuft, ohne sich zu sehen. Oder hast du dich jedesmal
in der Truhe versteckt, wenn ich in den blauen Salon kam.“
„Häh?“
„Auch ich, Armin, konnte letzte Nacht
nicht schlafen. Sollte ich dich anrufen? Ich brachte es nicht übers Herz, dir
den Schlaf zu rauben. Tja, und so habe ich mich ganz allein in der Villa
umgesehen: von Mitternacht bis etwa vier Uhr früh. Dich habe ich nicht bemerkt.
Warst wohl kolossal vorsichtig, leise und scheu?“
Armins Grinsen fror ein. Nach einer
Weile griff er zum Schnapsglas und stürzte sich den Korn durch die Kehle.
„In keiner Zeitung stand“, sagte Detl, „daß
die Alte in einem Sessel gefunden wurde. Und niemand hat’s erzählt. Und mit den
Bullen bist du nicht per du. Das heißt, lieber Freund Armin: Außer der Polizei
kann nur der Täter das wissen. DU! Du hast sie überfallen. Du hast sie auf den
Kopf geschlagen. Und du hast auch den Schatz gefunden. Gleich beim ersten Mal.
Obwohl man dich gestört hat. Dich, den Täter. Aber es ist ja nun ein besonders
gemeines Verbrechen. Alle Welt empört sich. Und du sagst dir: Als so ein
gemeiner Hund darf ich nicht dastehen. Vielleicht würde dich sogar dein Hehler
anspucken — dieser Hubert Scheffel — und den Schmuck gar nicht nehmen. Deshalb
hast du dir ausgedacht, wie du ein Alibi zimmern kannst. Mit mir als Zeugen. Es
ist ja auch möglich, daß dein Hehler auffliegt — mit dem Schmuck — und dann die
Bullen auf dich stoßen. Aber da ist ja der blöde Detl. Der beschwört: Armin hat
den Schmuck erst bei der Nachlese gefunden. Mit dem Raubüberfall, mit der
schweren Körperverletzung hat Armin nichts am Hut. Du bist zwar ein Dieb, aber
kein Gewalttäter, der eine steinalte Frau beinahe umbringt.“
Armins verschlagenes Gesicht wechselte
die Farbe. Schreckensbleich war es anfangs, dann wutrot, jetzt pinselte
Entschlossenheit ein Stahlgrau auf die knochigen Kiefer.
„Wenn du mich verpfeifst“, sagte der
Raubtäter durch die Zähne, „mache ich dich fertig.“
„Du mich? Soll ich lachen? Im übrigen
denkt kein Mensch an Verrat. Die Bullen zähle ich nicht zu meinen Freunden. Ich
will Kohle sehen. Weißt ja, wie knapp mein Onkel mich hält.“
„Hm, hm.“
Detls Mundwinkel hoben sich etwas. Er
trank einen Schluck und strich sich dann mit derselben Hand über die blonden Locken.
„Eigentlich“, sagte Armin gedämpft, „wollte
ich der Alten nichts tun. Der Zufall hat mich gelenkt — bei der ganzen Sache.
Ich kam vorbei, stand am Waldrand unter den Bäumen und sah, daß
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