Todesgruß vom Gelben Drachen
gleich.“
Klößchen stand vor der Besenkammer und
legte beide Hände auf den prallen Magen.
„Die Wolpert hat gehört, daß du ihren
Pudding Zeug genannt hast.“
„Jajaja! Ich zische zu Adelheids Hütte.
Die alte Dame ist aufgewacht und hat gesagt, wo der Schatz steckt. Herr Glockner
kommt mit Gaby.“
„Heißt das, wir asten dorthin?“
„Ich hole nur meine Jacke. Bemüh dich
nicht! Ich bringe deine mit.“
Tim sauste die Treppe hinauf in den
zweiten Stock, wo am Flurende die Bude ADLERNEST liegt.
Tim nahm seine Windjacke aus dem
Schrank. Klößchens Blouson fehlte. Tim schlug das Bett seines Freundes auf. Und
richtig! Zusammen mit dem Schlafanzug hatte Klößchen den Blouson unters
Kopfkissen gepackt. Natürlich aus Versehen! Denn morgens, beim Bettenmachen,
läßt er die Augen geschlossen und den Verstand im Traumland.
Endlich saßen sie auf den Rädern.
Kalter Wind pfiff um jede Ecke. Aber
die Novembersonne zeigte sich. Heute sollte weder Regen noch Nebel aufkommen.
Auf den kahlen Feldern saßen Krähen.
Die Gräser am Chaussee-Graben waren fahl und welk.
„Es ist... püh... sehr ungesund...
püh... sich nach dem Essen so anzustrengen“, keuchte Klößchen.
„Noch viel ungesunder ist es, sich vor
einer Anstrengung total zu überfressen.“
„Wie geht’s denn der Adelheid? Wird sie
wieder ganz gesund? Hat sie Appetit?“
„Offenbar ist sie auf dem besten Weg.
Aber sie macht sich Sorgen um den Schatz.“
Erbarmungslos drückte Tim aufs Tempo.
Klößchen schimpfte, ächzte und fiel
zeitweilig auf 300 Meter zurück. Tim mußte langsamer fahren.
Trotzdem erreichten sie Adelheids Villa
als erste.
Während Klößchen sich entnervt auf die
Eingangsstufen hockte, machte Tim eine Runde ums Haus.
Wie angewurzelt stand er dann vor der
Terrassentür.
Geschlossen — aber die zerbrochene
Scheibe sagte alles.
Im selben Moment hörte er Glockners
BMW, dann Klößchens Stimme.
„Heh, Tim, sie kommen.“
Er lief nach vorn. Gaby trug ihre
dreiviertellange Jeansjacke, die mit weißem Webpelz gefüttert war. Der
Kommissar nahm gerade das Klapprad seiner Tochter aus dem Kofferraum.
„Bin ich gespannt!“ rief Tims Freundin.
„Vor allem auf den Bergensee-Anhänger. Hoffentlich ist noch alles da.“
„Ich fürchte — nein!“ Tim wies mit dem
Daumen über die Schulter. „Nach uns sind Einbrecher gekommen. Die Terrassentür
wurde geknackt.“
Glockners markantes Gesicht wurde
starr. Er schlug den Deckel des Kofferraums zu.
„Wer auch immer das war — der Täter
oder ein Nachfolger Diesmal hatte er Zeit.“ Glockner zog den Schlüssel zur
Eingangstür aus der Manteltasche, besann sich, steckte ihn weg und ging zur
Hausecke.
Die andern folgten ihm.
Der Kommissar betrachtete die
Terrassentür und suchte nach verräterischen Spuren — aber die gab’s nicht.
„Der Schatz ist oder war im blauen
Zimmer, läßt Frau von Tipperitzki mir ausrichten. Unter der fünften Diele, zum
Fenster hin.“
„Gibt’s dort Holzdielen?“ fragte Tim. „Ich
erinnere mich nur an Teppiche. Massenhaft Teppiche. Zum Teil lagen sie
übereinander.“
Glockner nickte. „War auch mein
Eindruck. Aber diese alten Häuser haben tatsächlich noch Dielen.“
Sie betraten das blaue Zimmer.
Aller Augen richteten sich zur
Fensterseite.
Tatsächlich! Die Teppiche endeten ein
Stück vor der Wand. Dort bestand der Boden aus braunen, arg abgetretenen
Holzdielen. Friedlich und unschuldig lagen sie nebeneinander. In die Ritze
zwischen ihnen paßte kaum ein Blatt Papier.
Tim bückte sich und untersuchte die
fünfte Diele in ihrer ganzen Länge. An einem Ende verbreitete sich der Ritz zum
fingerstarken Spalt. Außerdem war ein Drittel der Diele abgetrennt. Nahtlos
fügte es sich an der Schnittstelle ein.
Tim schob den Mittelfinger in den Spalt
und hob das Teilstück heraus.
Alle starrten in den schuhkarton-großen
Hohlraum: eine rechteckige Vertiefung im Zementboden. Unten sammelte sich der
Staub von Jahrzehnten, was wohl bedeutete, daß Adelheid ihre Schatzkiste häufig
herausgenommen hatte.
Jetzt war sie verschwunden.
„So toll finde ich das Versteck nicht“,
meinte Klößchen. Glockner preßte die Lippen aufeinander, ehe er sagte: „Vielleicht
habe ich einen Fehler gemacht. Wir hätten suchen sollen. Statt dessen habe ich
mich entmutigen lassen von diesem unübersichtlichen alten Gebäude. Ich habe
gehofft, daß Adelheid bald aus ihrer Ohnmacht erwacht und dann das sagt, was
ich jetzt weiß. Aber jetzt ist es zu
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