Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todeshaus am Deich

Todeshaus am Deich

Titel: Todeshaus am Deich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
Vom Netzwerk:
ist,
dürfen Sie mich auch mit ›Herr Baron‹ ansprechen.«
    »Ich bitte Sie um Entschuldigung, aber man hat Sie uns
als Herrn Rammler vorgestellt. Dürfen wir einen Moment hereinkommen?«
    »Ist es erforderlich?«, antwortete der Mann.
    »Ich denke schon.«
    Der Baron gab die Tür frei. Das Apartment war
geräumiger als der schlichte Raum, in dem Paul Schüttemann lebte und starb.
Eine mit buntem Stoff bezogene Polstergruppe, der passende schwere Couchtisch
und ein Wandschrank aus schwerer Eiche schufen eine nahezu behagliche
Atmosphäre. Beeindruckend waren die prall gefüllten Bücherregale. Auch sonst
war der Raum wohnlich eingerichtet. Lediglich Fernseher, DVD -Player und die Computeranlage auf
dem altmodisch wirkenden Schreibtisch passten nicht zum Ambiente einer
Seniorenwohnung.
    Sie nahmen auf dem Sofa Platz, während sich der Baron
ihnen gegenübersetzte.
    »Ich bin viermal geschieden. Irgendwie hat das
asoziale Volk, das teilweise in diesem Haus logiert, davon gehört. Nun glauben
diese Leute, mich damit aufziehen zu können, dass sie mich ›Rammler‹ nennen.«
    Christoph konzentrierte sich bei dieser Erklärung auf
eine Reihe kleiner Kakteen, die die Fensterbank zierten. Aus den Augenwinkeln
bekam er mit, dass Große Jäger nur mühsam ein Schmunzeln unterdrücken konnte.
    »Haben Sie Kinder?«
    »Biologisch ja – praktisch nicht.«
    »Darf ich fragen, was Sie früher von Beruf waren?«
    Obwohl von Hasenteuffel-Stichnoth kerzengrade in seinem
Sessel hockte, gelang es ihm, seinen Körper noch einmal zu straffen.
    »Offizier bei der Bundeswehr.«
    »Herr Kubelka sagte, dass …«
    »Ausgerechnet der«, unterbrach sie der Baron. »Dieser
jähzornige Nichtsnutz. Hat seinen Lebensunterhalt dadurch bestritten, dass er
mit Militaria gehandelt hat und dabei die Ehre der Kriegsopfer verletzte. Ein
ruchloser Geselle.«
    »Das verstehe ich nicht«, gab Große Jäger zu bedenken.
    Von Hasenteuffel-Stichnoth musterte den Oberkommissar.
    »Wenn jemand für den Einsatz seines Lebens
ausgezeichnet wurde, hat er eine Medaille erhalten. Das gilt auch für besondere
Taten. Die Uniform ist ein besonderes Kleid. Dazu gehören auch die Besatzteile
und die Dienstgradabzeichen, die Sie sich mit Fleiß und Tapferkeit erarbeiten
müssen. Und dieser Mensch, der nie eine Kaserne von innen gesehen hat, handelte
damit, als wäre es Ramsch. Für solche Leute kann ich nur tiefste Verachtung
empfinden.«
    »Herr Kubelka hat gesagt, dass Sie uns einen Überblick
über sonderbare Vorkommnisse in diesem Haus vermitteln können. Was meint er
damit?«, fragte Christoph.
    »Der Mann ist ein Schwätzer. Gleichwohl hat er recht.
Es wird gemunkelt, dass Brodersen pleite ist. Er scheut sich nicht davor,
begüterte Bewohner um Bares anzugehen und sich von ihnen Geld zu leihen. Auch
verstummen die Gerüchte nicht, dass er froh über den Abgang jedes
pflegebedürftigen Bewohners ist. Das erlaubt ihm, Kosten zu sparen und die
Personaldecke weiter auszudünnen.«
    »Wieso kommt er mit den Beiträgen nicht zurecht?«
    Von Hasenteuffel-Stichnoth sah versonnen aus dem
Fenster, bevor er antwortete.
    »Ich habe es auch nur aus dritter Hand gehört. Aber
die ganze Anlage hier wurde von Investoren mitfinanziert, die nun auf ihre
Rendite warten. Die machen Brodersen wohl höllisch Feuer. Und nun steht ihm das
Wasser bis zu Hals.«
    »Werden Sie schlecht versorgt?«
    »Dass das nicht geschieht, haben wir wohl dem Personal
zu verdanken. Ich bewundere die Leute, die sich täglich mit den Alten
auseinandersetzen müssen. Nehmen Sie die alte Beckerling. Seit Jahren
Dialysepatientin. Außerdem ist sie ein wenig verschroben. Thordsen, den alle
den Kapitän nennen, obwohl er nur zwischen den Inseln und Halligen über den
Grund des Wattenmeeres gerutscht ist, geht mit seiner ewig aufgesetzten
Fröhlichkeit auf die Nerven. Sein Kumpel, Harry Seelig, läuft völlig
verwahrlost durch die Gegend und will mit jedem um alles zocken. Kubelka, nicht
nur ein Widerling, sondern auch jähzornig. Er ist bestimmt kein einfacher Fall
für das Personal mit seiner chronischen Inkontinenz. Ganz zu schweigen von
denen, die nicht mehr ansprechbar sind. Bruno Steinträger zum Beispiel. Hat
nicht nur Diabetes, sondern auch Alzheimer. Der läuft den ganzen Tag über die
Flure und bemerkt seine Umwelt nicht mehr.«
    Christoph sah sich im gepflegten Zimmer des Mannes um.
Der Baron bemerkte seinen Rundblick.
    »Sie sollten nicht glauben, dass alle älteren Menschen
senil und krank sind.

Weitere Kostenlose Bücher