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Todeshaus am Deich

Todeshaus am Deich

Titel: Todeshaus am Deich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Seite zog. Seelig
schien mehr als irritiert zu sein. Und während der alte Thordsen ihm die
Scheine erneut hinhielt, sah der sonst immer zu Späßen aufgelegte Harry Seelig
gar nicht fröhlich aus. Im zweiten Versuch gelang es ihm, das Geld zu greifen.
Mit einer fahrigen Bewegung steckte er das Bündel in seine Jackeninnentasche.
Dann entspannte sich sein Gesichtsausdruck. Traut vereint überquerten die
beiden die Straße, ohne sich um den laufenden Verkehr zu kümmern, und
verschwanden im Eingang des Kaufhauses. Christoph folgte ihnen. Ihr Weg führte
sie auf direktem Weg in die Cafeteria im Obergeschoss, wo man mit etwas Glück
einen Fensterplatz mit Blick auf den Binnenhafen erobern konnte.
    Während Seelig den direkten Weg zur Herrentoilette
suchte, nahm Thordsen an einem der Tische Platz. Geraume Zeit später gesellte
sich Seelig zu ihm. Sie bestellten Kaffee und unterhielten sich angeregt. An
dieser Stelle beschloss Christoph, die Beobachtungen zu beenden, und verließ
das Kaufhaus durch den Eingang Krämerstraße. Dort stieß er mit von
Hasenteuffel-Stichnoth zusammen, der mit einer voll beladenen Plastiktüte aus
der gegenüberliegenden Buchhandlung kam.
    »Husum ist doch eine überschaubare kleine Stadt«,
sagte er mit einem leichten Lächeln. »Man kann sich einfach nicht aus dem Weg
gehen. Und wenn meine Sippe, die mich abstrafen wollte, wissen würde, wie gut
es sich hier leben lässt, würden sie mir aus Neid sofort die Unterstützung
versagen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.« Der Baron nickte Christoph
zu und ging mit forschen Schritten Richtung Zingel von dannen. Christoph hatte
den gleichen Weg, der ihn zurück zur Dienststelle führte. In gebührendem
Abstand folgte er dem ehemaligen Offizier, der offensichtlich zu Fuß zurück zur
Seniorenresidenz ging.
    *
    Noch galt die Winterzeit, und jetzt, im März kurz vor
Frühlingsbeginn, brach die Dämmerung im äußersten Norden Deutschlands etwa zur
gleichen Zeit herein wie am Alpenrand. Es war erstaunlich, dass
fußballbegeisterte Bewohner Nordfrieslands während der Sommermonate noch das
letzte Tageslicht vor ihrem Fenster sahen, während die Liveübertragung aus dem
Münchener Stadion bereits eine tiefschwarze Nacht zeigte.
    »Bei uns gibt es einfach mehr Leuchten als in Bayern«,
hatte Große Jäger diese Tatsache erklärt.
    Die Bewohner der Hauke-Haien-Residenz schenkten der
Dämmerung aber keine Beachtung, sondern widmeten sich dem Ritual des
Abendessens. Im großen freundlichen Speisesaal standen die Vierertische in lockerer
Anordnung. Tischdecken und eine Vase mit Schnittblumen verliehen dem Raum einen
Hauch anheimelnder Atmosphäre.
    An vielen Tischen hatten sich schon Senioren
niedergelassen und erfüllten den Raum mit einem lautstarken Palaver. Vielen
fiel das Hören schwer, und so sprachen sie unwillkürlich lauter.
    Die gemeinsamen Mahlzeiten wurden von den alten Leuten
geliebt, waren sie doch eine willkommene Gelegenheit zur Kommunikation und zum
Austausch von großen und kleinen Neuigkeiten. Besonders heiter ging es an einem
zentral stehenden Tisch zu, an dem Kapitän Thordsen und Harry Seelig saßen und
sich offenbar köstlich amüsierten. Nach jedem zweiten Satz, den sie wechselten,
brachen sie lautstark in Gelächter aus.
    »Wetten um ‘nen Euro, dass Schwester Anke ›Na, Harry‹
sagt, wenn ich ihr hinterherpfeife?«, bot Seelig dem Kapitän an. Als dieser
ablehnte, drehte sich Seelig zu Friedrich Kubelka um, der als Dritter mit am
Tisch hockte und stumm den beiden anderen lauschte.
    »Na, Fiete, wie is? ‘nen Euro?«
    Kubelka zog geräuschvoll die Nase hoch, bevor er
antwortete: »Für Sie bin ich immer noch Herr Kubelka . Außerdem mag ich
es nicht, wenn man mich Fiete ruft.«
    Der Kapitän und Seelig wechselten einen raschen Blick,
bevor sie in ein dröhnendes Gelächter ausbrachen. In diesem Moment näherte sich
Schwester Anke dem Tisch und balancierte ein Tablett mit drei Suppentassen.
Seelig musterte sie von oben bis unten und stieß einen »Bauarbeiterpfiff« aus,
wie er es nannte, weil er glaubte, in dieser Weise würden die Handwerker von
ihren Gerüsten jungen Frauen hinterherpfeifen.
    Anke lächelte.
    »Na, Harry?«, sagte sie erwartungsgemäß und rief damit
ein zufriedenes Lächeln auf Seeligs Gesicht hervor.
    »Haben Sie heute Abend schon etwas vor?«, fragte
Seelig.
    »Ja. Ich bin mit dem Bürgermeister, dem Pastor und dem
Landrat gleichzeitig verabredet. Dabei muss ich aufpassen, dass Peter Harry
nicht

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