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Todeshaus am Deich

Todeshaus am Deich

Titel: Todeshaus am Deich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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zu hören, wenn Mommsens Finger
behände über die Tastatur huschten. Große Jäger, dessen Schreibtisch im
Zweierblock dem jungen Kommissar gegenüberstand, beobachtete seinen Kollegen.
Dann griff er sich ins Ohr, bohrte darin und begutachtete das Ergebnis.
    »Das ist eine Hühnerkacke«, gab er von sich, ohne den
Blick von seine Fingern zu lassen.
    Mommsen sah auf. »Was meinst du?«
    »Dass wir Althoff nicht finden. Ich begreife das
nicht. So groß ist Husum nun auch nicht, dass sich so einer verstecken kann,
ohne dass wir auch nur eine Idee haben, wo wir ihn aufstöbern können.«
    Große Jäger warf Mommsen einen finsteren Blick zu.
»Hat jemand etwas von dem kleinen Jungen gehört?«
    »Ich glaube, Hilke hatte zuletzt Kontakt mit den
Kollegen aus Münster«, antwortete Mommsen, der seine Arbeit unterbrochen hatte.
    Der Oberkommissar griff zum Telefon.
    »Tante Hilke, komm mal rüber«, war sein ganzer
Redebeitrag, bevor er auflegte.
    Kurz darauf trat Hilke Hauck ein, einen Kaffeebecher
in der Hand.
    »Was’n los?«, fragte sie Große Jäger.
    »Erzähl uns etwas über den Jungen«, bat der Oberkommissar.
Seine Stimme hatte nicht den gewohnten Klang. Es fehlte das Herausfordernde,
die unnachahmliche Mischung aus aggressiver und ironischer Tonlage.
    Hilke Hauck angelte sich einen Besucherstuhl und
setzte sich an die Querseite der beiden Schreibtische. Sie nahm noch einen
Schluck Kaffee, bevor sie begann.
    »Also! Der kleine Lukas ist neun Jahre alt. Ich habe
zuletzt gestern Nachmittag mit dem Krankenhaus telefoniert. Die wollten wissen,
wie der Stand der Suche ist, weil es aus medizinsicher Sicht mehr als drängt.
Dem Jungen geht es nicht gut. Er ist so weit geschwächt, dass die Ärzte ihm
keine weitere Chemo mehr zumuten können. Um die Dringlichkeit zu
unterstreichen, hat mir der behandelnde Arzt noch anvertraut, dass Lukas einen
Bruder hat, der am Downsyndrom leidet. Da ist das Risiko, die Mutter als
Spender zu nehmen, einfach zu groß. Die Mediziner sehen nur noch die
Knochenmarktransplantation von Althoff auf das Kind als vage Hoffnung. Deshalb
ist Suche nach dem genetischen Zwilling für Lukas lebenswichtig.«
    Eine Weile herrschte bedrückende Stille im Büro.
    »Wir müssen alles daransetzen, Althoff zu finden«,
sagte Christoph.
    »Das wissen wir auch«, schnauzte ihn Große Jäger an.
»Das musst du uns nicht erzählen.« Der Oberkommissar setzte sich mit einem Ruck
gerade hin. »Sorry«, sagte er versöhnlicher in Christophs Richtung. »Da jagen
wir ausnahmsweise nicht hinter einem schweren Jungen hinterher und finden
diesen Typen trotzdem nicht. Mensch, sind wir wirklich so doof?«
    »Ich verstehe deine Erregung, Wilderich, aber niemand
zweifelt an deinem persönlichen Einsatz.«
    Große Jäger schüttelte den Kopf. Dann zeigte er mit
dem Zeigefinger auf seine Brust. »Da drinnen fühle ich mich ganz mies.« Er
stand auf, ohne das Chaos auf seinem Schreibtisch noch eines Blickes zu
würdigen. »Ich mache jetzt Feierabend, auch wenn mir das Wochenende nicht
schmecken wird.«

FÜNF
    Die Zimmerdecke war
weiß, die Rauputzwände hatten einen zartgelben Anstrich. Neben dem großen
Schrank beherrschten Kunstdrucke die Wände. Durch die geschlossenen Gardinen
schimmerte das Tageslicht in Annas Schlafzimmer.
    Christoph stützte
den Ellenbogen auf die Matratze und legte den Kopf in die offene Handfläche. Er
lauschte dem sporadischen Klappern der Tiegel und Töpfe aus dem Bad. Das
Rauschen von Wasserhahn und Dusche hatte schon vor einer Weile wieder
aufgehört. Er würde nie verstehen, weshalb Frauen morgens so viel Zeit im Bad
zubringen mussten. Anna war vor fast einer Dreiviertelstunde aufgestanden und
widmete sich seitdem der Körper- und Schönheitspflege. Eine Frau muss sich auch
am Sonnabend das Gesicht anziehen, pflegte sie zu sagen.
    Nach einer endlos
erscheinenden Zeit hörte er die Tür, kurz darauf erschien Anna im Schlafzimmer.
    »Fuhljack«, lachte
sie, als sie ihn träge im Bett liegen sah. »Rut ut de Puch.« Sie kniete sich
auf das Bett und kitzelte ihn. Er rollte sich zusammen und versuchte, die Decke
ans Kinn zu ziehen, um der Attacke zu entgehen.
    »Lass das.« Er
versuchte sich zu revanchieren, aber sie wich geschickt aus.
    Er hatte die Nacht
bei ihr zugebracht. Jetzt freuten sich beide auf ein gemeinsames, ausgiebiges
Frühstück. Danach wollten sie den Sonnabendvormittag zu einem entspannten
Stadtbummel nutzen.
    »Hat der Herr
Wünsche zum Frühstück?«, fragte sie gut gelaunt.
    Er

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