Todeshaus am Deich
bleckte die
Zähne.
»Ja! Aber die werde
ich dir nicht verraten, sonst bekommen wir nie etwas zu essen.«
Sein Handy gab einen
hässlichen schnarrenden Ton von sich.
»Muss das sein?«,
fragte Anna enttäuscht, während er versuchte, das Mobiltelefon aus seiner
Hosentasche zu angeln.
»Wilderich«, sagte
er erklärend zu Anna nach einem kurzen Blick auf das Display.
»Was will der um
diese Zeit? Ich wäre jede Wette eingegangen, dass der am Wochenende bis zum
Nachmittag schläft.«
Christoph nahm das
Gespräch an.
»Liegst du etwa noch
im Bett und lässt dir medizinische Nachhilfe erteilen?«, lästerte Große Jäger.
»Wo denkst du hin?
Das Frühstück ist schon lange verarbeitet«, log Christoph ohne schlechtes
Gewissen.
»Prima. Dann kann
ich dir auch erzählen, dass ich gestern Abend noch einmal in der Kreuzerstraße
bei der Nichte von Trude Beckerling vorbeigeschaut habe. Allerdings wieder
erfolglos. Die Frau ist seit Tagen nicht gesehen worden. Offen gestanden habe
ich mit dem Gedanken gespielt, einen Blick in die Wohnung zu werfen. Aber dafür
gab es – objektiv gesehen – keinen triftigen Grund.«
Das war eine
interessante, aber keineswegs umwerfende Neuigkeit. Trotzdem sagte Christoph: »Danke«, weil er wusste, dass Große Jäger Streicheleinheiten genauso dringend
benötigte wie sein Hund die Lobesworte des Herrchens.
»Dabei habe ich von
einer Nachbarin erfahren, dass sich bereits vor mir ein fremder Mann für Saskia
Willich interessiert hat. Ist das nicht merkwürdig?«
Christoph war
hellwach.
»Allerdings. Sollte sonst
noch jemand nach der Frau suchen?«
»Sieht so aus.«
»Konnte jemand den
Besucher beschreiben?«
»Sehr zutreffend. Es
ist ein guter alter Bekannter von uns.«
»Nun mach es nicht
so spannend«, sagte Christoph etwas ungehalten.
Über die Leitung kam
ein dröhnendes Lachen.
»Sieht so aus, als
hätte Harm Mommsen die gleiche Idee wie ich gehabt.«
»Du oller
Mettenmors«, stimmte jetzt auch Christoph in die Fröhlichkeit ein.
»Was liegt bei euch
an?«, fragte Große Jäger.
»Wir wollen in die
Stadt. Ein wenig bummeln. Mal sehen.«
»Vielleicht sieht
man sich«, drohte Große Jäger und wünschte einen schönen Tag.
Das Frühstück stand
fertig auf dem Tisch, als Christoph aus dem Bad kam. Er genoss die frischen
Brötchen und den duftenden Kaffee. Danach warf er einen Blick in die Husumer
Nachrichten. Im Lokalteil fand er einen kleinen Artikel, dass die am Donnerstag
aus einer Seniorenresidenz – der Name des Heimes blieb unerwähnt –
verschwundene Frau noch nicht wieder aufgetaucht war. Die Leser wurden erneut
gebeten, die örtliche Polizei zu verständigen, falls sie etwas vom Verbleib der
alten Dame wüssten.
Anschließend machten
sich Anna und Christoph auf den Weg ins Husumer Zentrum. Der bewölkte Himmel
und der kühle Westwind hatten die zahlreichen Besucher nicht davon abgehalten,
das Kleinod an der Westküste aufzusuchen. Die Straßen und Gassen rund um
Marktplatz und Hafen waren voll mit Menschen.
Christoph konnte
sich nicht mehr erinnern, wie oft sie an diesem Vormittag schon die Großstraße
überquert hatten. Anna musste in dieses und jenes Geschäft, blieb vor dem einen
Schaufenster stehen und drängte zum nächsten. Selbstverständlich hatten sie
auch schon den beiden Kaufhäusern der Stadt ihre Aufwartung gemacht, dabei
geschickt die Passage zur Krämerstraße genutzt und auch noch das Areal an der
Schiffbrücke aufgesucht. Jetzt standen sie wieder am Marktplatz. Anna strahlte,
während Christoph von diesem Bummel-Shopping-Marathon langsam lahme Füße bekam.
Plötzlich hielt er
inne.
Anna zerrte an
seinem Ärmel. »Schwächelst du?«
Christoph beobachtete
den Mann, der vom Tinebrunnen kommend die Norderstraße in Richtung des alten
Rathauses kreuzte.
»Moment«, bat
Christoph. »Das interessiert mich jetzt.«
»Niemand erwartet
von dir, dass du in deiner Freizeit auch noch Cowboy und Indianer spielst«, murrte
Anna. »Nun komm schon.«
Doch Christoph blieb
stehen. »Wenn bei euch kurz vor Praxisschluss ein Patient erscheint, weist ihr
den doch auch nicht ab.«
»Das ist etwas ganz
anderes«, erklärte sie. »Was hast du eigentlich entdeckt?«
Christoph nickte mit
dem Kopf zur anderen Straßenseite. Der Mann war vor der Rathaustreppe stehen
geblieben. Offensichtlich wartete er auf jemanden.
»Das ist ein
Beteiligter an unseren aktuellen Fällen.«
»Na und? Ist es
verboten, durch die Stadt zu schlendern?«
»Nein! Nur
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