Todeshaus am Deich
herunterzudrücken.
Dann legte er bestimmt seine Hand auf die des ehemaligen Militariahändlers und
hielt diese samt Gehhilfe fest.
»Beruhigen Sie sich
erst einmal. Ich glaube kaum, dass das Drohen mit dem hier« – Christoph drückte
dabei ein wenig auf die Hand, die den Stock hielt – »ein probates Mittel ist,
um Meinungsverschiedenheiten auszutragen.«
Kubelka war immer
noch erregt.
»Das sollten Sie dem
da erzählen, dem … dem …«, sagte er mit stockendem Atem. »Fragen Sie den
scheinheiligen Patron doch einmal, warum er Adolf Wilhelm mit Vornamen heißt. Adolf. Das sagt doch alles über seine Sippe aus.«
Inzwischen waren
auch Schwester Anke und eine andere Angestellte, die Christoph nur vom Ansehen
her kannte, aufgetaucht. Vorsichtig hakte sich Anke bei Kubelka unter und zog
ihn sanft ins Haus.
»Kommen Sie, Herr
Kubelka, wir trinken jetzt eine Tasse Kaffee, und dabei können Sie mir
erzählen, was Ihnen auf dem Herzen liegt«, redete sie auf den Mann ein.
Widerwillig ließ er sich von den beiden Betreuerinnen ins Haus führen.
Christoph ging auf
von Hasenteuffel zu.
»Guten Tag«, grüßte
der Baron und wischte sich ein unsichtbares Staubkörnchen von der Strickjacke.
»Sie sollten dem, was Sie eben gesehen haben, keine Bedeutung beimessen. Herr
Kubelka ist leicht erregbar und verliert dabei die Kontrolle über sich. Das ist
das Los der Leute, denen die Herausforderung im Alter fehlt und die deshalb
ihre Emotionen nicht mehr im Griff haben.«
»Darf ich erfahren,
was der Grund Ihrer Auseinandersetzung war?«, fragte Christoph.
Von Hasenteuffel
winkte ab. »Bedeutungslos.«
»Ich wollte zu
Ihnen«, erklärte Christoph.
Der Mann zeigte sich
überrascht.
»Zu mir?« Dann warf
er einen Blick in die Gesichter der anderen Bewohner, die immer noch um sie
herumstanden. »Was halten Sie von einem kleinen Spaziergang? Dabei können wir
in Ruhe miteinander plaudern.«
Christoph stimmte
zu.
»Ich muss mich nur
anziehen. Leider haben die Jahre auch an mir gezehrt, und die leichte
Strickjacke ist nicht mehr ausreichend für eine Deichwanderung.« Mit diesen
Worten verschwand er ins Innere des Hauses.
Der Kreis der
Neugierigen hatte sich immer noch nicht aufgelöst. Stumm betrachteten die alten
Leute Christoph. Er hatte manche von ihnen schon gesehen, ohne ihre Namen zu
kennen.
Zehn Minuten später
erschien von Hasenteuffel. Er war mit einer derben Cordhose und einem
wetterfesten Anorak bekleidet. Die Füße steckten in soliden Schnürschuhen. Um
den Hals hatte sich der Baron einen Wollschal gewickelt.
»Nehmen wir Ihren
Wagen?«, fragte er eher beiläufig.
Christoph führte ihn
zum schwarzen Volvo-Kombi und öffnete ihm den Schlag, obwohl die Fernbedienung
die Türsperre schon freigegeben hatte.
Wie
selbstverständlich dirigierte von Hasenteuffel den Weg.
Sie entfernten sich
auf der schmalen Straße, die durch den Koog führte, von Husum. Nur vereinzelt
säumten Häuser ihren Weg, abgesehen von der kleinen Siedlung, die sich in die
Weite der Marsch duckte. Nach einigen Kilometern stieg das Asphaltband sanft an
und durchschnitt den Deich, der quer durch die Landschaft führte und den
Finkhaushalligkoog vom Simonsberger trennte. Besucher, die durch dieses
friedliche Land fuhren, brachten wenig Verständnis für die wohldurchdachten
Schutzbauten an. Nur wer hier lebte oder schon einmal die Urgewalt der
entfesselten Meere selbst miterlebt hatte, war dankbar für die Kunst der
Wasserbauingenieure.
Am Ende der Straße
zeigte von Hasenteuffel stumm mit dem Daumen nach rechts, etwas später nach
links, als rechts die Sackgasse zum Straßendorf Simonsberg abzweigte, einer
beliebten Sommerfrische für Leute, die die Ruhe zu genießen verstanden.
Von Weitem ragte das
mächtige Haus des Roten Haubarg in die Marsch, ein Ausflugsziel für viele
Besucher aus nah und fern. Als in der Ferne die Silhouette Marschenbülls
auftauchte, jenes Ortes, in dem Christoph seinen ersten Fall bei der Husumer
Kripo gelöst hatte, wies ihn der Baron an, die Straße zu verlassen.
Jetzt begegnete
ihnen kein Fahrzeug mehr. Nicht nur die vereinzelt in die Marsch gestreuten
Häuser, auch der winzige Ort Uelvesbüll wirkte wie ausgestorben. Danach machte
die Straße einen Knick und führte direkt unterhalb des Deichs entlang. Weit und
breit gab es keine Anzeichen einer Besiedlung. Das Auge hatte freie Sicht auf
die saftig-grüne Marsch und den hohen Himmel.
Mitten auf freier
Strecke, dort, wo schräge Rampen auf den Deich
Weitere Kostenlose Bücher