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Todeshaus am Deich

Todeshaus am Deich

Titel: Todeshaus am Deich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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führten, sagte von Hasenteuffel
plötzlich: »Halt!«.
    Christoph steuerte
seinen Volvo auf den unbefestigten Grünstreifen neben der Straße.
    Sie stiegen aus.
Hier draußen, wo der Wind freie Bahn hatte, war es kühler als in Husum.
    Christoph folgte dem
Beispiel des Barons, der sich den Anorak bis oben zugeknöpft hatte. Stumm
stapften sie die Schräge zur Deichkrone empor. Oben blieben sie stehen.
    »Ach, ist das nicht
wundervoll?«, fragte von Hasenteuffel und zeigte mit dem Kopf in westliche
Richtung. »Gehen wir?« Ohne eine Antwort abzuwarten, marschierte er los.
    »Sie kennen Trude
Beckerlings Nichte?«, fragte Christoph, nachdem sie ein Stück wortlos
nebeneinanderher marschiert waren.
    »Ja. Ich war einer
der wenigen im Heim, die sich mit der alten Beckerling beschäftigt haben.
Irgendwann hat sie mich ihrer Nichte vorgestellt.«
    »Sie haben sich mit
Frau Willich auch allein getroffen?«
    Der Baron warf
Christoph einen schnellen Seitenblick zu.
    »Stimmt«, antwortete
er wortkarg.
    »Warum?«
    Der Mann hatte
normales Marschtempo vorgelegt. Plötzlich verlangsamte er den Schritt.
    »Ist das von
Bedeutung?«
    »Bei ungeklärten
Todesfällen ist jedes Detail wichtig«, entgegnete Christoph.
    »Kennen Sie den
Spitznamen, den man in der Seniorenresidenz hinter meinem Rücken verwendet?«,
antwortete von Hasenteuffel ausweichend. Als Christoph nickte, fuhr er fort: »Rammler. Irgendwer hat spitzbekommen, dass ich viermal verheiratet war. Ich
mag Frauen. Das will ich nicht verhehlen. Und auch mit über siebzig habe ich
noch mein Vergnügen daran, mit dem weiblichen Geschlecht zu plaudern.«
    Christoph musste
sich auf die Worte seines Nachbarn konzentrieren, weil der Gegenwind die
Unterhaltung erschwerte.
    »Saskia Willich ist
eine interessante Erscheinung. Ich glaube, ich muss mich nicht in weiteren
Einzelheiten ergehen.«
    »Haben Sie ein
Verhältnis mit der Frau?«
    Von Hasenteuffel gab
ein Geräusch von sich, das wie ein verächtliches Lachen klingen sollte.
    »Darauf erwarten Sie
doch keine Antwort?«
    Als Christoph mit
»Doch« antwortete, schwieg der Baron eine Weile.
    »Meine Familie hat
mich ausgestoßen«, erklärte er dann. »Können Sie sich vorstellen, wie man mit
jemandem umspringt, der viermal geschieden ist? Ich habe drei Kinder und bin
eine Art Nennvater für vier weitere, die zwei meiner Verflossenen mit in die
Ehen gebracht haben. Alle haben den Kontakt zu mir abgebrochen. Das Geld lockt,
mit dem die Familie um sich wirft.« Der Baron ließ ein kehliges Lachen hören.
»Wie gut, dass mich nie jemand besucht hat. Die würden sich sonst was denken,
wenn die wüssten, wie schön es hier ist.«
    Sie gingen eine
Weile stumm nebeneinander. Von Hasenteuffel zeigte auf eine Schar Möwen, die
sich mit lautem Geschrei im Watt um eine unsichtbare Beute stritten.
    »Alte Menschen aus
der Gemeinschaft auszuschließen, ist so, als würde man die Vergangenheit
leugnen, in der die Wurzeln der Gegenwart liegen. Wissen Sie, wer das gesagt
hat?«
    Christoph verneinte.
    »Das schrieb kein
Geringerer als Papst Johannes Paul II .«
    »Sie sind
katholisch?«
    »Ja. Aus einer
erzkatholischen Familie. Stört Sie das? Ich weiß, hier im Norden ist man
Christ. Diese Aussage bedeutet automatisch, dass man evangelisch ist.
Katholiken sind hier ebenso selten anzutreffen wie schlitzäugige Neger.«
    »Sie meinen
Schwarze?«
    »Ich sage Neger. So
stand es in meinen Schulbüchern, und dabei bleibe ich. Das soll aber in keiner
Weise diskriminierend klingen. Auf diese Feststellung lege ich Wert. Haben Sie
mal Kubelka gehört, wie der über Leute herzieht, die nicht seinen Vorstellungen
entsprechen?«
    Christoph wollte
nicht vom Thema abweichen. »Warum haben Sie sich mit Frau Willich getroffen?«
    »Das machen wir
gelegentlich«, erklärte der Baron schließlich. »Dieser Termin war schon länger
geplant. Deshalb habe ich ihn auch wahrgenommen.«
    »Haben Sie mit der
Frau über das Verschwinden ihrer Tante gesprochen?«
    Von Hasenteuffel sog
hörbar die salzige Luft in seine Lungen, bevor er antwortete.
    »Nein, das habe ich
unerwähnt gelassen. Ich wollte Saskia nicht beunruhigen. Was hätte sie schon
ausrichten können?«
    »Finden Sie nicht,
dass das ein merkwürdiges Verhalten ist? Sie hätte uns bei der Suche behilflich
sein können. Schließlich wurde Frau Beckerling in der Wohnung der Nichte
gefunden. Irgendjemand hat sie dorthin gebracht.« Christoph legte eine Pause
ein, bevor er zu seiner Kernfrage kam. »Waren Sie

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