Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todeshaus am Deich

Todeshaus am Deich

Titel: Todeshaus am Deich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
Vom Netzwerk:
Außergewöhnliches zu
erkennen«. Mit Schwester Dagmars Hilfe entkleidete er von Hasenteuffel und untersuchte
akribisch die Leiche. Zwischendurch stellte er Fragen nach dem
Gesundheitszustand des Mannes und erhielt die gleiche Antwort, die Christoph
schon bekommen hatte.
    »Ich kann nichts
Außergewöhnliches feststellen«, schloss der Arzt seine Untersuchung ab. »Mit
Ausnahme der winzigen Stelle im rechten Armgelenk. Das sieht wie eine Injektion
aus.« Er beugte sich über die Stelle. »Das war jemand, der etwas vom Spritzen
versteht.« Er sah Oberschwester Dagmar an. »Waren Sie das? Oder jemand vom
Personal?«
    »Nein«, antwortete
die Pflegedienstleiterin.
    »Hmmh«, brummte Doc
Hinrichsen. »Bei einem plötzlichen Herztod ist von außen nichts zu erkennen.
Welche Bewandtnis es mit der Einstichstelle auf sich hat, vermag ich nicht zu
beurteilen. In Anbetracht der Merkwürdigkeiten, die dieses Haus in der jüngsten
Zeit erlebt hat, werde ich ›Todesursache unklar‹ ankreuzen.«
    »Aber Herr Doktor!«,
regte sich Brodersen auf. »Das ist doch ein eindeutiger Herzstillstand.«
    »Hier entscheide ich
ganz allein«, gab Dr. Hinrichsen barsch zurück. »Und ein Herzstillstand ist
keine Todesursache, sondern nur ein finaler Zustand. Was Sie sagen, ist
Blödsinn. Die Frage ist, warum blieb das Herz stehen? Haben Sie eine plausible
Erklärung dafür?«
    »Natürlich nicht«,
stammelte Brodersen.
    »Sehen Sie!«, war
die bündige Antwort des Arztes, der ohne weitere Worte das Formular ausfüllte.
    Anschließend
versuchte Christoph, Dr. Breckwoldt in Flensburg zu erreichen. Aber der
Oberstaatsanwalt war noch nicht in seinem Büro.
    Gemeinsam mit Dr.
Hinrichsen verließ er die Seniorenresidenz und ließ eine schweigende
Oberschwester und einen konsternierten Heimleiter zurück.
    *
    Im Büro herrschte Hochbetrieb. Mommsen und Große Jäger
stritten sich über eine der bedeutenden Fragen, die Männer beschäftigen und zu
denen kraft Geschlecht ausschließlich sie als Experten ihre Meinung kundtun
durften. Es ging um den deutschen Fußball. Während Mommsen immerhin noch
versuchte, seine Ansichten durch Argumente zu untermauern, versenkte Große
Jäger mit Kommentaren wie »Du hast ja keine Ahnung!« und »Wie kann man so blind
sein!« jede Gegenrede. Um die Bedeutung seiner Argumente zu unterstreichen,
bediente er sich im Unterschied zu Mommsen auch einer lauten Stimme. Als Hilke
Hauck, die dem Hin und Her eine Weile schweigend gefolgt war, sich auch noch
einmischte, war es um Große Jägers Fassung vollends geschehen.
    »Tante Hilke«, schimpfte er, »früher gab es eine
bewährte Arbeitsteilung. Da florierte unsere Gesellschaft noch. Und seitdem die
Frauen Hosen tragen, ist alles aus den Fugen geraten.«
    »Und wie sieht deine Arbeitsteilung aus?«, fragte
Hilke und spitzte die Lippen.
    »Dumme Frage. Frauen gehören in die Küche. Schlimm
genug, dass ihr Auto fahren dürft. Und jetzt wollt ihr auch noch beim Fußball
mitreden.«
    Hilke lachte spitzbübisch. »Dafür sind wir doch eher
prädestiniert als ihr.«
    »Ha-ha-ha.« Große Jägers dröhnender Bass füllte den
Raum.
    »Schließlich sind die deutschen Mädchen
Fußballweltmeister. Und wo seid ihr Kerle geblieben?«, grinste Hilke und trat
hinter den Stuhl des Oberkommissars. »Sag mal, Wilderich: Wieso hast du beim
toten Schüttemann den Apfel gerochen? Ich rieche in deiner Nähe immer nur
dich.«
    Große Jäger wollte zu einer heftigen Erwiderung
ansetzen, doch Christoph bremste ihn und berichtete von seinem Besuch im
Altersheim.
    »Das ist ja ‘n Ding«, kommentierte der Oberkommissar.
»Ich hab’s gleich gesagt. Dir als ehemaligem Papierpolizisten mangelt es an
kriminalistischem Spürsinn. Während du in Kiel zwischen deinen Aktenbergen eine
Stauballergie bekommen hast, haben Mommsen und ich uns die Hacken
krummgelaufen. Dein Verdacht gegen von Hasenteuffel hatte keine Substanz. Warum
sollte der Mann die anderen Alten umgebracht haben? Und jetzt ist er selbst
tot. Oder zweifelt ihr daran, dass unser intelligenter Mörder wieder zugeschlagen
hat? Langsam wird es mir unheimlich. Da läuft einer herum und lässt die Morde
an den alten Leuten wie Zufälle aussehen. Jetzt haben wir schon die dritte
Leiche.« Große Jäger schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Sind
wir so bescheuert, dass wir immer noch nicht erkannt haben, dass da ein
Serienkiller unterwegs ist?«
    Christoph ließ sich in seinen Stuhl fallen. Er trug
noch seine Windjacke.

Weitere Kostenlose Bücher