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Todeshaus am Deich

Todeshaus am Deich

Titel: Todeshaus am Deich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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»Bei diesem Wetter wird er sich auch kaum im Freien
aufhalten. Dafür sind die Nächte zu kühl. Und selbst wenn er keinen anderen
Unterschlupf mehr gefunden hat … Östlich von Husum gibt es geschütztere Lagen
als ausgerechnet den Koog. Da bläst der Westwind von der See herein und wird
nicht durch einen mageren Strauch aufgehalten. Ich glaube nicht, dass Althoff
sich dahin zurückgezogen hat.«
    »Hmmh!« Große Jäger kratzte sich hörbar am Kinn.
»Unser kleiner Chinamann …«
    »Du meinst den Vietnamesen«, korrigierte ihn
Christoph.
    »Sag ich doch. Für mich sind alle Schlitzaugen gleich.
Also! Tho spricht die Wahrheit. Seine ganze Asylbewerbertruppe zeigte tiefe
Betroffenheit, als sie den Grund für unsere Suche nach Althoff erfuhr. Entweder
hat sich der Junge in einem Kellerloch in der Gegend versteckt oder … Ja! Das
wäre eine Überlegung.«
    Christoph sah auf die Karte. Dann klopfte er Große
Jäger auf die Schulter.
    »Das ist zwar nicht sehr komfortabel, aber eine Idee.
Wir sollten das näher in Augenschein nehmen.«
    *
    Mommsen hatte seinen Mini hinter dem Palmengarten
geparkt und sogar ordnungsgemäß ein Ticket aus dem Automaten gezogen. Er war
ins Stadtzentrum zurückgegangen und stand jetzt ein wenig unschlüssig auf dem
Marktplatz. Um ihn herum wuselten die Menschenmassen.
    »Ach, dschunger Mann. Könn Sie mal so freundlich sein
und ‘nen Bild von mir und meine Freundin hier mach’n?«, wurde er von einer
drallen Frau angesprochen, an deren Seite eine ebenso gut proportionierte
zweite Jungrentnerin hing. Unverkennbar Hamburger Dialekt, dachte Mommsen und
sah die beiden Frauen freundlich an. Er bugsierte sie vor die Tine, fixierte
die beiden in das Objektiv blinzelnden Ausflüglerinnen und wählte einen
Bildausschnitt, der auch noch die Marienkirche mit umfasste.
    »Bitte sehr«, sagte er mit einem charmanten Lächeln
und gab die Digitalkamera zurück.
    »Oh, dank auch.«
    »Da nich für.«
    Im Fortgehen hörte er, wie eine der Frauen der anderen
zuraunte: »Nette Bengels ham die hier. Schade, dass das nix mehr für uns Ollen
is, was, Frieda?«
    Ein junger Mann kreuzte den Marktplatz. Er bemerkte
Mommsen, stutzte und steuerte dann auf ihn zu.
    »Moin, kann es sein, dass ich dich neulich in der Disco
gesehen habe?«
    Der Mann war leger gekleidet. Er trug eine gefleckte
Hose, einen offenen Blouson mit einer aufgedruckten Buchstabenkombination und
ein ebenfalls bedrucktes schwarzes T-Shirt. Aus seiner Hosentasche baumelte ein
blaues Band, an dem er vermutlich seinen Schlüssel befestigt hatte. Die
dunkelblaue Baseball-Kappe war an der Vorderseite mit einem roten Schriftzug
bestickt: »I love Husum«.
    »Möglich«, antwortete Mommsen zögerlich.
    »Am Sonnabend, als die fremden Typen Stress gemacht
haben? Warst du nicht einer von den Polizisten?«
    »Ja«, erwiderte Mommsen immer noch wortkarg.
    »Sorry, wenn ich dich geduzt habe«, sagte der Jüngling
fast schüchtern.
    »Ist okay«, erwiderte Mommsen. »Was liegt denn an?«
    »War ‘ne geile Sache, wie ihr die Typen alle gemacht habt.
Schade, dass uns solche Kerle immer den Spaß verderben. Wir wollen auf der
Piste nur ‘n bisschen was erleben. Jux machen und Girlies anbaggern. Aber mit
so was ham wir nichts am Hut. Scheiße so was.«
    Mommsen unterließ es, die Bemerkung des jungen Mannes
zu kommentieren.
    »’n Spezi von mir hat uns verklickert, dass ihr einen
sucht. Stimmt das?«
    Der junge Kommissar nickte.
    »In der Szene wird gemunkelt, dass ihr ihn nicht
greifen wollt, sondern dass er so ‘n Kind mit ‘ner Knochenmarkspende helfen
soll. Soll auch inne Zeitung gestanden hab’n.«
    »Das ist richtig. Der kleine Junge ist dringend darauf
angewiesen. Hast du eine Idee, wo der Mann sich aufhalten könnte?«
    »Vielleicht«, druckste der Jugendliche herum. »Ich hab
da was läuten gehört. Kann sein, dass er hinterm alten Nordbahnhof in so ‘nem
Abbruchschuppen hausen tut.«
    Mommsen dankte dem jungen Mann und versicherte ihm,
dass er gut daran getan habe, sein Wissen weiterzugeben. Dann griff er zum
Handy und wählte das Büro an. Es meldete sich einer der beiden »Gifties«, die
Kollegen, die sich schwerpunktmäßig der Straftaten rund um die Betäubungsmittel
annahmen. Mommsen erfuhr, dass der Oberkommissar und Christoph vor zwei Minuten
das Haus verlassen hatten. Er wählte Christophs Handy an und erklärte, welche Vermutung
ihm eben zugetragen worden war.
    »Wir sind schon Richtung Nordbahnhof unterwegs«,
erwiderte Christoph.

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