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Todeshaus am Deich

Todeshaus am Deich

Titel: Todeshaus am Deich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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ihn in ihren Dienstwagen. Dann fuhren sie in
die Herzog-Adolf-Straße zu Große Jägers Wohnung.
    »Kommst du allein klar?«, fragte Christoph vor der
Haustür.
    »Selbstverständlich«, erwiderte der Oberkommissar.
»Hast du Sorge, dass mir der Typ noch mal davonläuft?«, fragte Große Jäger und
knuffte den übel riechenden Althoff in die Seite. »Los, komm du Schwienjack.«
    Die beiden anderen fuhren zur Dienststelle zurück. Im
Vorbeigehen hatte Christoph kurz Hilke Haucks Bürotür geöffnet und ihr
zugerufen, dass sie Althoff erwischt hatten. Ein erleichtertes »Gott sei Dank«
war die Antwort gewesen.
    Während Mommsen Kontakt zur Uniklinik in Münster
aufnahm, hatte Christoph Polizeidirektor Grothe aufgesucht und ihm den
Sachverhalt geschildert.
    »Kein Problem, mein Junge«, hatte der Chef erklärt.
»Ich werde alles organisieren.«
    Der Leiter der Husumer Polizei hatte Wort gehalten.
Eine knappe Stunde später nahm ein Streifenwagen den frisch geduschten und
rasierten Thorben Althoff entgegen. Der junge Mann wirkte in der zu weiten
Kleidung von Große Jäger ein wenig verloren, ließ sich aber ohne jeden
Widerstand in das Polizeiauto schieben und Richtung Westfalen eskortieren.

NEUN
    Zwischen das
Klappern von Geschirr und Besteck, das Zischen der Kaffeemaschine und das
Rascheln von Papier und Verpackungsmaterial mischte sich der Singsang einer
Frauenstimme, der weder melodisch klang noch textsicher war. Das ergänzende
»La-la-la« und die abgehackte Tonfolge, an der moderne Komponisten ihre Freude
gehabt hätten, wurden durch ein leises Murmeln unterbrochen. Diese Mixtur aus
Gesang und Selbstgespräch war die Eigenart der Babuschka, wenn sie morgens mit
der Vorbereitung des Frühstücks begann. Sie war so emsig in ihre Arbeit
vertieft, dass sie das leichte Klopfen an der halb geöffneten Tür nicht
mitbekam und erst hochschreckte, als sie Schwester Ankes fröhliche Stimme hörte.
    »Moin, Babuschka.«
    »Herrjemine, hast du
mir verschreckt.« Die rundliche Köchin fuhr sich ans Herz. »Mädchen, das musst
nicht zu oft machen mit mir. So jung bin ich nicht mehr. Sind schon genug Leute
gestorben in die letzte Zeit.«
    »Damit ist jetzt
Schluss«, lachte Anke und ging weiter zum Schwesternzimmer, um sich
umzukleiden. Gleichzeitig mit dem Pro-forma-Anklopfen betrat sie den Raum und
blieb auf der Schwelle stehen.
    Daniela, die
Nachtwache, lag auf der Pritsche, die Wolldecke bis zum Hals hochgezogen, den
Kopf zur Wand gedreht, und gab friedliche Töne von sich.
    »Mensch, Daniela,
sag bloß, du hast tief geschlafen?«, herrschte Anke die junge Frau an, die sie
mit einem verstörten Gesichtsausdruck anblinzelte. Anke ging zum Fenster und
riss es weit auf. »Teufel, ist die Luft stickig«, bemerkte sie dabei.
    »Ich … ich muss
gerade vor fünf Minuten eingenickt sein«, stammelte Daniela und gähnte
herzhaft. Ihr verwuscheltes Haar und das Relief, das Kopfkissen und Wolldecke
auf ihre linke Wange gezeichnet hatten, standen allerdings im Widerspruch dazu.
    »Verflixt noch mal«,
schimpfte Anke. »Es ist nicht das erste Mal, dass man dir erklärt hat, du
sollst während der Nachtwache nicht pennen. So geht das nicht. Was ist, wenn
dich jemand braucht?«
    Beide sahen auf die
Leuchtanzeige an der Wand, die das Rufzeichen eines Patienten in das
Schwesternzimmer übertrug. Sie war ausgeschaltet.
    Anke nahm sich vor,
diesen erneuten Vorfall nicht zu verschweigen. Sie wollte die
Pflegedienstleiterin und den Heimleiter informieren. Brodersen würde die Sache
zur Kenntnis nehmen. Schließlich war es seine Entscheidung gewesen, die
nächtliche Betreuung der Bewohner der Seniorenresidenz in die Hände von
Ein-Euro-Jobbern zu legen.
    Rasch zog Anke sich
um, während Daniela immer noch apathisch auf der Pritsche kauerte.
    Anke stellte die von
Dagmar am Vortag sortierten Medikamente zusammen, nahm Thermometer und
Blutdruckmessgerät, Spritzen und Verbandsmaterial und machte sich auf den Weg
zur Morgenrunde, um die pflege- und behandlungsbedürftigen Senioren zu
versorgen. Es war ein Standardprogramm, und viele der Bewohner bekamen jeden
Morgen die gleiche Behandlung. Neben der medizinischen Komponente gehörte auch
die morgendliche Begrüßung zum Ritual. Anke wusste, dass viele der alten
Menschen auf sie warteten, manche hatten ihr sogar anvertraut, dass ihr
Erscheinen eine Erlösung von der beängstigenden Nacht war, der Zeit, in der die
Dunkelheit regierte und die Leute allein in ihrer Kammer hockten. Die
Schlaflosigkeit

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