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Todeshaus am Deich

Todeshaus am Deich

Titel: Todeshaus am Deich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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»Wir haben einen ähnlichen Tipp bekommen. Wo steckst du?«
    »An der Tine.«
    »Gut. Dann komm auch rüber. Wir treffen uns vor dem
alten Güterbahnhof. Dort kann er uns nicht durch Zufall vorzeitig entdecken.«
    Wenig später hielt Mommsen hinter dem Ford-Kombi der
Husumer Kripo und stieg zu seinen beiden Kollegen um.
    »Wenn unsere Vermutung richtig ist«, erklärte
Christoph, »könnte sich Althoff im ehemaligen Stellwerk aufhalten. Das Gebäude
ist schon lange zur Ruine verkommen, und niemand kümmert sich darum.«
    Große Jäger zog hörbar die Nase hoch.
    »Es ist erstaunlich, dass die Deutsche Bahn ihre nicht
mehr genutzten Bauten ungestraft als bauliche Schandmale in der Landschaft
stehen lassen darf.«
    Sie schlichen um das alte Gemäuer des ehemaligen
Güterbahnhofs herum und lugten vorsichtig über die zugewucherten Gleise. Nichts
war zu erkennen. Das alte Stellwerk lag einsam und verlassen inmitten des
trostlosen Areals. Weit und breit war kein Zug zu sehen, sodass sie die Anlage
gefahrlos überqueren konnten.
    Es blieb still. Nichts rührte sich. Zwischen den
Schienen, auf Schwellen und Schotter, ließ es sich schlecht gehen. Große Jäger
fluchte leise etwas Unverständliches.
    Endlich hatten sie das kleine Häuschen erreicht. Eine
Tür war nicht vorhanden, der Eingang glich dem Zutritt zu einem dunklen
Verlies. Es war dunkel. An den Wänden hatten sich ganze Generationen von
Schmierfinken verewigt. Es stank erbärmlich nach Urin und Fäkalien.
    Christoph rümpfte die Nase, und Große Jäger nickte
stumm. Mommsen hatte sich rasch im Erdgeschoss umgesehen. Auf dem nassen und
modrigen Fußboden in den winzigen Kammern fand sich undefinierbares Gerümpel.
Sonst war alles leer.
    Langsam schlichen sie hintereinander die ausgetretenen
Betonstufen ins Obergeschoss. Von dort hatte früher der Fahrdienstleiter den
Betrieb auf dem Güterbahnhof und die Einfahrt zum Husumer Bahnhof von Norden
her dirigiert.
    Durch die eingeschlagenen und notdürftig mit Pappe
vernagelten Fenster zog es. Leere Flaschen rollten über den Boden.
Verpackungsreste stapelten sich neben einer versifften Matratze, an deren
Kopfende ein Mensch kauerte und eine zerschlissene Wolldecke bis ans Kinn hochgezogen
hatte. Aus großen Augen starrte er die drei Polizisten an.
    »Althoff?«, fragte Große Jäger mit seinem dröhnenden
Bass. Er erhielt keine Antwort.
    »Bist du Thorben Althoff?«
    Schnell huschten die Augen des Mannes zwischen den
Beamten hin und her.
    Der Oberkommissar ging zu dem Bündel hinüber, packte
den schmächtigen Mann am Kragen und zog ihn hoch.
    »Wenn einer so bescheuert ist wie du, dann kann es
sich nur um Thorben Althoff handeln«, zischte er. »Hab ich recht?«
    Ganz vorsichtig bewegte sich das blasse, ausgemergelte
Gesicht auf und ab.
    »Du bist ‘n verdammter Arsch. Hast du Trapps ‘ne
Ahnung, wie lange wir dich schon suchen?«
    Große Jäger war der Zorn deutlich anzumerken. Am
liebsten hätte er Althoff wie einem ungehörigen Kind ein paar Ohrfeigen
verpasst. Stattdessen sah er sich um. Überall herrschte Dreck und Chaos vor.
    Auch Christoph konnte nicht verstehen, dass ein Mensch
sich inmitten des Mülls wohlfühlen konnte. Was veranlasste jemanden wie den
jungen Mann, jeglicher Hygiene zu entsagen? Ein normal denkender Verstand
konnte das nicht erklären.
    »Wir suchen Sie, weil Sie als genetischer Zwilling mit
Ihrer Knochenmarkspende einem kleinen Jungen das Leben retten können«, sagte
Christoph.
    Zum ersten Mal entspannten sich Althoffs Gesichtzüge.
    »Ich dachte, man ist hinter mir her, weil ich …«
    Wütend trat Große Jäger gegen eine Fischkonservendose.
Laut scheppernd landete das leere Behältnis an der Wand.
    »Zum Denken bist du zu doof«, fluchte er und putzte
sich die Hände an seiner fleckigen Jeans ab. »Los, nun mach zu.« Kopfschüttelnd
betrachtete er den Mann von oben bis unten.
    »Was machen wir jetzt mit dir?« Nach kurzem Überlegen
beschloss der Oberkommissar: »Ich nehme dich Ferkel mit zu mir. Dann duschst
du, ziehst dir saubere Klamotten an, und währenddessen organisieren meine
Kollegen mit einer Polizeistaffel deinen Transport nach Münster.« Seine Worte
duldeten keinen Widerspruch. Er drehte sich um und stapfte zur Treppe. »Komm«,
befahl er und winkte über die Schulter. Noch einmal trat er gegen eine leere
Kunststoffflasche und schimpfte dabei: »So ‘ne verdammte Schweinerei.«
    Die drei Beamten eskortierten Althoff vorsichtig über
die Gleisanlage und verfrachteten

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