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Todeshunger

Todeshunger

Titel: Todeshunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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ich mich nur allzu gut an die Nacht, in der ich fast an so einem Ort gestorben wäre. Hier, in der Finsternis, sehe ich deutlich die hilflosen, entsetzten Gesichter der Leute vor mir, die sich um mich drängten, während wir wie Vieh zur Schlachtbank getrieben wurden. Ich erinnere mich an die leeren, verzweifelten Mienen, das Chaos, die so deutlich sichtbare Frustration und Qual. Ich erinnere mich an meine panische Angst im Angesicht des sicheren Todes …
    »Alles klar?«, fragt Adam, der mich einholt und von hinten anrempelt. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich stehen geblieben war. Mir ist, als hätte ich meinen Körper verlassen und würde alles aus der Ferne sehen. Ein Übelkeit erregendes, beängstigendes Gefühl, wie die nervöse Erleichterung, die man empfindet, wenn man ohne einen Kratzer eine Unfallstelle verlässt, wo man gerade sein Auto zerlegt hat. Man denkt: Wie konnte ich das überstehen?
Wie nahe war ich dran, ins Gras zu beißen? Und dann quält einen der eigene Verstand mit seinem »Was wäre wenn?« und »Wenn nur« … Ich weiß, wäre ich in jener Nacht nur ein paar Meter weiter vorne gewesen, dann wäre ich heute ein toter Mann.
    Ich lehne mich an einen der Türflügel vor mir. Er lässt sich mühelos bewegen, daher gehe ich weiter in die ehemalige Gaskammer. Die Dunkelheit maskiert die Einzelheiten, die mir freilich noch deutlich im Gedächtnis sind. Hier sind Leichen. Ich habe keine Ahnung, wie viele, aber ich sehe ihre Umrisse in den konturlosen Stapeln. Tausende Fliegen, die sich an verwesendem Fleisch gütlich tun, summen in dem höhlenartigen Raum, und ich schaue in die Höhe, damit ich nicht nach unten sehen muss. Ein Stück entfernt entdecke ich ein großes Loch im Dach und kann gerade noch die Treppen und Laufstege aus Metall hoch oben auf beiden Seiten erkennen. Röhren mit einem enormen Durchmesser ragen aus den Wänden der Halle heraus, und am anderen Ende wurde ein riesiger Ventilator angebracht, dessen Rotoren sich träge in der sanften Abendbrise drehen.
    »Gehen wir raus«, flüstert Adam dicht hinter mir. »Der Gestank ist grauenhaft.«
    Ich setze mich wieder in Bewegung und schlurfe mit den Füßen am Boden entlang, damit ich nicht über etwas stolpere, das ich nicht sehen kann, da ich überzeugt bin, dass der gesamte Fußboden mit Glibber und Leichenteilen bedeckt ist. Ich kicke Holzstücke und verbogene Metallteile aus dem Weg – Trümmer des eingestürzten Dachs – und gelange endlich, fast so langsam wie Adam, zur gegenüberliegenden Wand. Dort taste ich mich auf der Suche nach einem Weg hinaus entlang. In der hintersten
Ecke befindet sich, durch einen weiteren Haufen unidentifizierbaren Abfalls den Blicken entzogen, eine breite Tür, die nur noch an den Scharnieren hängt und halb offen steht. Ich ducke mich hindurch und öffne sie weiter, damit Adam ebenfalls passieren kann. Mit seinen ungleichmäßigen Schritten und seinem Grunzen und angestrengtem Keuchen hört er sich wie ein Monster in den Schatten an.
    »Hier können wir nicht bleiben«, sagt er.
    »Vielleicht gibt es noch andere Gebäude in der Nähe.«
    Kaum ist er ganz draußen, lege ich einen Arm um ihn und stütze ihn. Wir sind erst ein paar Schritte weit gekommen, als er stehen bleibt.
    »Verdammt«, sagt er. »Sieh dir das an.«
    An der Seite des langen, schmalen Gebäudes liegt eine weitere Lichtung, die man bis dahin nicht sehen konnte, und der Boden ist so weit das Auge reicht mit Leichen bedeckt. Es sind Hunderte, wahrscheinlich Tausende, enorm hohe Halden. Ich lasse Adam wieder stehen und nähere mich der ersten. Aus der Entfernung sehen sie in der Dämmerung wie eine einzige, nicht identifizierbare Masse aus, die man lediglich wegen der zahllosen Hände, Arme und Beine, die in unmöglichen Winkeln herausragen, als menschliche Überreste identifizieren kann. Doch als ich näher komme, werden ekelerregende Details deutlich. Diese Toten hatte man einfach abgeladen – nicht aufgebahrt -, und die untersten wurden vom Gewicht der Kadaver darüber so zerquetscht, dass sie unnatürlich dünn aussehen, fast als wären sie vakuumverpackt. Weiter oben starren mich zahllose wächserne Gesichter mit aufgerissenen Augen an. Durch die farblose Haut, die eingefallenen Wangen und tiefen Augenhöhlen haben sie alle
groteske, alptraumhafte, maskenartige Mienen. Als ich sie sehe, muss ich daran denken, dass ich ebenfalls sterblich bin. Ich empfinde nichts für diese Menschen hier – sie sind nur noch leere Hüllen,

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