Todeshunger
stehen, als wir uns beide fest an die Außenwand an der Rückseite der Gaskammer pressen.
»Es sind Unveränderte«, flüstert er mit einer vor Aufregung nervösen Stimme. »Ich hab sie gesehen.«
»Wie viele?«
»Weiß nicht. Hab Motoren gehört.«
Was zum Teufel soll ich jetzt machen? Adam sieht das vermutlich anders, aber wir können nicht riskieren, gegen sie vorzugehen, ehe wir wissen, um wie viele es sich handelt. Es könnten Hunderte sein, und wenn sie es wagen, so unverhohlen ins Freie zu kommen, dann sind sie vermutlich bis an die Zähne bewaffnet und kampfbereit.
Was wollen sie? Sind sie möglicherweise gekommen, um die Anlage wieder in Betrieb zu nehmen? Scheiße, suchen die vielleicht nach uns?
»Warte hier«, sage ich zu Adam und schubse ihn zu einer Nische. »Reiß dich zusammen, und unternimm nichts, bis ich wiederkomme, okay? Ich versuche, mir einen besseren Überblick zu verschaffen.«
Adam nickt und folgt meinen Anweisungen. Ich entferne mich ein paar Schritte von dem Gebäude und sehe, dass eine Leiter vom Boden zu einer Luke hoch oben führt. Ehe ich es mir selbst ausreden kann, klettere ich hinauf und versuche, mit meinen schweren Stiefeln möglichst wenig Lärm auf den Metallsprossen zu machen. Als ich etwa zwei Drittel des Wegs hinter mir habe, mache ich eine Pause und sehe durch eine staubige Fensterscheibe. Die Morgensonne gleißt durch die Fenster an der Seite des Schlachthauses und das Loch im Dach, leuchtet alles grell aus und enthüllt so jedes grässliche Detail, das gestern Nacht in der Dunkelheit verborgen gewesen war. Die Unveränderten sind jetzt in dem Gebäude. Ich sehe, wie zwei sich langsam zwischen den Toten und den Trümmern bewegen.
Am oberen Ende der Leiter öffne ich die Luke und zwänge mich vorsichtig hinein. Ich befinde mich auf einem der schmalen Laufstege, die um den riesigen Raum herumführen, und weiß, dass man mich hier oben durch das Metallgitter nur allzu deutlich sehen kann. Ich schleiche zu der Seite des Raums, die noch im Schatten liegt. Jetzt bin ich direkt über einem der Eindringlinge. Offenbar beschäftigt er sich mit einem Leichnam und versucht, ein Gewehr aus dem Griff eines toten, verwesenden Soldaten zu winden. Glücklicherweise ist er beschäftigt, daher gelange ich unentdeckt zur vorderen Seite der Halle. Weiter vorn stelle
ich fest, dass dieser Laufsteg lose ist. Mehrere Klammern und Bolzen haben sich aus der Wand gelöst, und er kommt mir schon recht unsicher vor. Allerdings mache ich mir weniger Gedanken um meine Sicherheit, als vielmehr um die Möglichkeit, dass das Knirschen und Quietschen des Metalls einen der Aasgeier da unten auf mich aufmerksam machen könnte. Die sehen nicht wie typische Militärs oder Milizen der Unveränderten aus. Ihre Kleidung wirkt bunt zusammengewürfelt, und sie sind mit Waffen überladen – viel mehr, als sie eigentlich brauchen. Ich finde, sie sehen mehr wie Mechaniker als Soldaten aus.
Mir stockt der Atem, als unvermittelt ein Geräusch ertönt. Ich blicke über die Schulter, sehe nach unten und befürchte, dass sie Adam gefunden haben. Aber es ist nichts weiter, nur ein weiterer Unveränderter, der einem toten Mann das Gewehr abnimmt.
Ich drehe mich um, damit ich diesen instabilen Laufsteg verlassen kann, als ich bemerke, dass sich draußen, vor dem großen, mit Staub und Spinnweben bedeckten Fenster auf meiner Seite, etwas tut. Plötzlich wird auf schmerzhafte Weise deutlich, weshalb der Feind hier ist. Unter den wachsamen Blicken von fünf bewaffneten Milizionären machen sich zwei junge Frauen und ein älterer, weißhaariger Mann am ersten Leichenstapel zu schaffen und suchen nach allem Wertvollen. Unmenschliche Aasgeier. Irgendwo muss es einen verdammt lukrativen Schwarzmarkt geben, dass die dieses Risiko eingehen, aber die Wichser sind gut organisiert und wissen, was sie tun. Die drei gehen mit ihren gelben Gummihandschuhen hastig an den aufgeschichteten Kadavern entlang, jeder in einer anderen Höhe, und so ziehen sie Ringe und Uhren von toten Fingern und Händen, die aus dem gewaltigen
Berg verwesenden Fleisches herausragen, und füllen ganze Eimer mit ihrem Diebesgut. Wenn ein Eimer voll ist, kommt ein Teenager, nimmt ihn und wechselt ihn gegen einen leeren von einem Vorrat aus, der sich außerhalb meines Gesichtsfeldes befindet. Bei dem Anblick schäume ich vor Hass und Wut, aber was kann ich tun? Es sind so viele, dass ich nicht allein gegen sie vorgehen kann (auch wenn Adam bei mir ist, sehe
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