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Todeshunger

Todeshunger

Titel: Todeshunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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offenbar aufgegeben, dennoch tummeln sich riesige Mengen Zivilisten ringsum und warten vermutlich auf Nachschub, der nie kommt. In einem weiteren eingezäunten Areal in der Nähe sehe ich einen noch rauchenden Scheiterhaufen. Das müssen Hunderte Leichen sein …
    Ich bin so sehr abgelenkt von dem trostlosen Anblick ringsum, dass ich frontal mit jemandem zusammenstoße, der in die andere Richtung geht und offenkundig ebenso wenig auf Passanten achtet wie ich. Der unerwartete Zusammenstoß bringt mich aus der Fassung. Von plötzlicher, kopfloser Panik erfüllt, mache ich einen Sprung vorwärts und packe den verwahrlosten Mann am Kragen. Ich wirble ihn herum, stoße ihn zu Boden und greife nach dem Messer, bis … bis mir wieder einfällt, wo und was ich bin. Sofort lasse ich ihn los und gehe von panischer Angst erfüllt weiter, dass mich jemand gesehen und meine brutale,
übertriebene Reaktion mich verraten haben könnte. Ich drehe mich um und sehe, wie er sich aufrappelt und ein paar Meter im Laufschritt zurücklegt, bis eine hinreichende Distanz zwischen uns liegt. Dann lässt er den Kopf hängen, geht weiter und versucht, nicht in Panik zu geraten, während er in unregelmäßigen Abständen Blicke über die Schulter wirft. Ich schaue mich um. Eine Menge Leute beobachten mich, aber zum Glück haben sie alle solche Angst, dass keiner sich einmischt.
    Verdammter Idiot. Fehler wie diesen kann ich mir nicht leisten.
     
    Jetzt weiß ich genau, wo ich bin. Um die nächste Ecke liegt die ASA, die Abteilung für Strafzettelabwicklung, wo ich früher für die Bearbeitung von Strafzetteln wegen Falschparkens zuständig war. Als ich das Gebäude sehe, erfüllen mich sofort widerstreitende Emotionen: Abscheu, weil ich so viel meines früheren Lebens dort verschwendet habe; Erleichterung, dass diese Zeiten endgültig vorbei sind; und, gänzlich unerwartet, eine schmerzliche Nostalgie, als ich an alles denke, was ich verloren und hinter mir gelassen habe. Das alles scheint ewig her zu sein, als würden die Erinnerungen einem anderen gehören. Dass ich wieder hier stehe und mich an dieses Gebäude und alles erinnere, was sich darin abgespielt hat, ist so, als würde ich einen Fernsehfilm über das Leben eines anderen sehen. Jetzt leben Menschen in dem Gebäude. Ich sehe sie an den Fenstern, zu denen ich stundenlang hinausgeschaut habe. Kann es eine schlimmere Form des Daseins geben?
    Ohne es zu merken, habe ich vor dem Gebäude der ASA angehalten. Ich stehe mitten auf der Straße wie ein
verblödeter Tourist und bekomme nicht mehr mit, was um mich herum vorgeht. Der Lärm eines Fahrzeugs, das rasch näher kommt, reißt mich aus meiner gefährlichen Starre. Ich drehe mich um und stelle fest, dass ein Jeep, der auf beiden Seiten von zahlreichen schwer bewaffneten Soldaten flankiert wird, deren undurchdringliche Masken ihre Absichten verbergen, mitten auf der Straße auf mich zufährt. Suchen die nach mir? Der Jeep rast unerbittlich weiter, der Fahrer versucht nicht einmal, den Massen der Flüchtlinge auszuweichen, die sich auf der Straße aufhalten. Sie springen rasch in Deckung. Da mich irrationale Ängste plagen und ich nicht weiß, ob ich untätig bleiben oder kämpfen soll, reagiere ich langsam. Ein Soldat stößt mich zur Seite, und ich muss mich eisern zusammenreißen, damit ich ihn nicht töte. Ich trete ihm verstockt und trotzig entgegen und sehe die Spiegelung meines Gesichts in seinem Visier.
    »Problem?«, schreit er mich an, und seine hässliche Fratze ist nur Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. Ich spüre Galle in meiner Kehle aufsteigen, ein durchdringendes, Übelkeit erregendes Grauen erfüllt mich, und ich weiß nicht, ob ich es unterdrücken kann. Bringe ich es fertig, ihn am Leben zu lassen? Da ich nichts anderes als töten will, ist es praktisch unmöglich, nichts zu tun. Doch ich denke verbissen an die Begegnung mit Joseph Mallon in meiner Zelle, und der Gedanke, wie leicht ich ihn hinters Licht führen konnte, gibt mir Kraft. Stell dich dumm, flehe ich mich inbrünstig an. Lass ihn gehen. Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, kannst du Tausende töten …
    »Kein Problem«, antworte ich, weiche zurück, entferne mich schlurfend und versuche, das Verhalten der zahllosen Feiglinge um mich herum nachzuahmen. Ich spüre,
wie sich sein Blick in mich bohrt, drehe mich jedoch nicht um. Ich gehe weiter …
    Zehn Sekunden, und es ist nichts passiert.
    Nicht umdrehen.
    Noch zehn Sekunden. Sind sie weitergezogen?
    Ich

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