Todeshunger
Unveränderten. Beobachten die mich? Ich kann es kaum erwarten, wieder in Deckung zu sein, daher laufe ich schneller und verschwinde wieder zwischen zwei verlassenen Häusern. Dann sehe ich endlich das Gebäude, wohin Sahota mich geschickt hat. Der Risemore Conservative Members Club ist so hässlich wie alles andere hier in der Gegend; eine flache, klobige Begegnungsstätte aus roten Backsteinen, die aussieht, als hätte es ihr tatsächlich zum Vorteil gereicht, wäre eine Bombe darauf gefallen. Vor dem Krieg habe ich tunlichst einen Bogen um solche Einrichtungen gemacht. Als ich noch klein war, hat mein Vater mich ab und zu an Wochenenden mit in die Clubs genommen, wo er getrunken hat, ehe er uns verließ. Da saß ich dann neben ihm, kam um vor Langeweile und musste mich stundenlang mit einer Cola begnügen, während er sich betrank, rauchte, die Zeitung las, mit gleichermaßen betrunkenen Kumpels diskutierte oder sich grottenschlechte Komiker, Sänger und Varietékünstler ansah, denen man von Rechts wegen eigentlich alle öffentlichen Auftritte hätte verbieten müssen. Als ich mich dem Club nähere, entwerfe ich im Geiste automatisch ein Bild, wie es darin aussehen könnte; grell, abgestanden, stickig, Reste von Zigarettenrauch in der Luft, schmutzige Filzteppiche, unbequeme Sitze mit Plastikschonbezügen …
Durch den Vordereingang komme ich nicht rein, da ein unüberwindbarer Berg heruntergefallener Backsteine die Tür versperrt. Ich gehe zur Rückseite, suche nach einem anderen Eingang und verfluche mich wegen meiner Naivität. Es war nie vorgesehen, dass ich zur Vordertür
reingehe. Wenn man eine Zelle von Terroristen leitet, hat man es nicht gern, dass jeder x-Beliebige einfach an die Eingangstür klopfen und reinspazieren kann, oder? Bin ich das jetzt, ein Terrorist? Ein Selbstmordbomber ohne Bombe? Oder bin ich die Bombe?
Ein schmaler Weg führt zwischen Backsteinwänden von der Vorderseite des Gebäudes bis nach hinten zu einem eingezäunten, aber weitgehend verlassenen Parkplatz. Ich sehe keinen Hinweis darauf, dass jemand hier ist oder in letzter Zeit hier gewesen wäre. Da ist ein Notausgang, eine dicke Metalltür. Ich hämmere mit der Faust dagegen und warte auf eine Antwort, während mir Zweifel kommen, ob dies wirklich das richtige Haus ist. Eine ausgehungerte Katze schießt hinter mir unter einer Hecke hervor, läuft über den Parkplatz und sucht Schutz unter einer überlaufenden Regentonne. Instinktiv locke ich sie. Früher habe ich Katzen gemocht.
Der Notausgang geht auf, was mich überrascht. Ich wirble herum und stehe einem großen, kräftigen, fies aussehenden Kerl gegenüber, der von oben bis unten tätowiert ist. Gott sei Dank stehen wir auf derselben Seite.
»Ich suche Chapman«, sage ich zu ihm – der Name, den Sahota mir genannt hat.
»Wer sucht ihn?«
»Ich«, antworte ich, ohne zu überlegen.
»Und wer bist du, du Blödmann?«, seufzt er, kommt einen Schritt näher und drängt mich von dem Haus weg auf den Parkplatz. Er greift nach einem monströsen Messer mit tückisch gezackter Klinge.
»Mein Name ist Danny McCoyne«, antworte ich hastig und versuche, selbstbewusst zu klingen, damit man mir meine Nervosität nicht anmerkt. »Sahota schickt mich.«
Als ich den Namen Sahota erwähne, entspannt sich der Schläger sichtlich. Er sieht mich noch einmal von oben bis unten an, dann geht er zur Seite und winkt mich in das Gebäude hinein. Ich gehorche und warte, bis er die Tür geschlossen und mit einem schweren Holzbalken gesichert hat. Er führt mich durch das Erdgeschoss. Meine Augen gewöhnen sich nur langsam an das Halbdunkel im Inneren, daher stolpere ich über einen leicht erhöhten Bühnenbereich. Er dreht sich zu mir um und schüttelt den Kopf.
Das Innere des Clubs ist so verwahrlost wie alles andere und entspricht keineswegs der albernen, überkommenen Vorstellung, die ich mir davon gemacht hatte. Auf dem Boden liegen Trümmer der weißen Deckenverkleidung aus Polystyrol. Da frage ich mich, wie stabil der Rest des Gebäudes sein mag, wenn die Decke schon so baufällig ist … Zu meiner (nicht ganz unerwarteten) Enttäuschung wurde die Bar vollständig geplündert. Ich sehe nur leere Regale an der verspiegelten Wand. Hey, etwas Starkes, um meine Nerven zu beruhigen, wäre jetzt genau das Richtige. Hier drin fühle ich mich nervöser als im Stadtzentrum, wo ich ringsum von Unveränderten umgeben war.
Mein Anstandswauwau möchte offenbar nicht reden. Er führt mich durch
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