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Todeshunger

Todeshunger

Titel: Todeshunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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den Feind beizutragen. Die neue Weltordnung ist launisch und unvorhersehbar; eben ist man noch am Boden, im nächsten Moment wieder obenauf.
    Die Straßen rund um Sahotas Gebäude waren beruhigend still und verlassen, und ich selbst fühlte mich zuversichtlich und stark. Aber in dem Moment, als ich die ersten Unveränderten bemerkte, kamen mir wieder Zweifel. Es waren drei, die, von der Straße kaum zu sehen, zusammengekauert im Eingang eines teilweise eingestürzten Gebäudes saßen – nur Augen, die aus der Dunkelheit blickten. Trotz der Erfahrungen, die ich gemacht hatte, war mein erster Impuls, sie alle zu töten. Es hätte keinem geschadet, und da ich meine Axt und die Messer wieder am Gürtel trug, hätte ich sie mit Sicherheit alle drei erledigen können, ohne auch nur ins Schwitzen zu kommen. Aber ich hatte Angst – Angst, ich könnte nicht mehr aufhören, wenn ich jetzt anfangen würde zu töten. Ich zwang mich, mich zu entspannen, der Versuchung zu widerstehen und weiterzugehen. Die elenden Wichser gafften mich an wie Falken, als ich sie passierte, doch
zwei Gedanken hinderten mich daran, zu ihnen zu gehen. Erstens: Ich wusste, wenn ich es in die Stadt schaffe, besteht eine, wenn auch geringe Chance, mehr darüber herauszufinden, was aus Ellis geworden ist. Zweitens: Je länger ich durchhielt, ohne zu töten, und je tiefer ich in die Stadt gelangte, desto mehr blieben mir zum Töten, wenn die Kämpfe endlich wieder anfingen. Es war einfacher, die drei am Leben zu lassen (wenn man es Leben nennen konnte), da ich wusste, dass ich später möglicherweise Tausende ihrer Art töten könnte.
    Unerwarteterweise fällt es mir umso leichter, mich unter den Unveränderten aufzuhalten, je mehr ich sehe. Ich muss mich immer noch zu eiserner Selbstbeherrschung zwingen, wenn ich einen bemerke, aber ihre große Zahl erinnert mich ständig daran, dass es Selbstmord wäre, jetzt mit dem Töten anzufangen. Vielleicht ist es aber auch nur so, dass ihr Anblick, wie sie unter so verzweifelten, elenden, abstoßenden Bedingungen auf den Knien zusammengepfercht sind, mir meine vergleichsweise Stärke und Überlegenheit vor Augen führt. Diese Leute sind gar nichts.
    Verdammt, mir ist kalt. Ich streiche mit der Hand über den frisch rasierten Kopf und das Kinn, als ich mein Spiegelbild in einem staubigen Schaufenster bemerke. Ich sehe aus wie ein neuer Mensch, als wäre ich nach den Spielchen der vergangenen Tage wiedergeboren worden. Sahota sagte, dass ich das machen sollte, ich selbst wäre nie im Leben darauf gekommen. Er sagte, ich solle versuchen, mit der Masse der Unveränderten zu verschmelzen. Ich war zufrieden damit, ein und dieselbe Kampfmontur Tag für Tag zu tragen, bis sie so fadenscheinig wurde, dass sie nichts mehr nützte, aber offenbar achten einige der Unveränderten
unfassbarerweise immer noch auf ihr Äußeres. Sicher, die Maßstäbe haben sich verändert, und es gibt keine schicken Einkaufsstraßen mit Geschäften mehr, wo sie die neueste Mode verkaufen, aber eine überraschend große Zahl von denen macht sich offenbar immer noch Gedanken darüber, wie sie aussehen. Es geht stets darum, akzeptiert zu werden, hat Sahota mir erklärt, eins mit der Masse zu sein und mit ihr zu verschmelzen. Vor einer Minute habe ich eine Frau gesehen, die sich geschminkt hatte. Warum? Welchen Sinn soll das haben? Blöde Kuh. Es ist egal, wie man aussieht, wenn man stirbt.
    Ich konzentriere mich darauf, flach zu atmen, das ist meine Technik. Ich bewege mich langsamen, aber entschlossenen Schrittes. Wenn ich ans Kämpfen und Töten denke, versuche ich, mich mit trivialen Dingen abzulenken, zähle Laternenpfosten, vermeide Risse im Bürgersteig, denke an Namen und Gesichter von Menschen, die ich einmal kannte … Es ist ein merkwürdiges Gefühl – ich denke, dass sich ein Alkoholiker auf Entzug so fühlen muss. Solange ich nicht töte, passiert mir nichts. Aber wenn ich wie ein Alkoholiker, der sich ein einziges Gläschen hinter die Binde kippt, rückfällig werden und nur einen von denen töten würde, könnte ich nicht mehr aufhören. Ich erinnere mich an Mallons Mantra: Je mehr du kämpfst, desto weniger bekommst du. Er hatte recht. Wenn ich allein hier draußen Ärger mache, bin ich im Arsch. Bleibe ich ruhig, habe ich eine Chance.
    Meine Umgebung ist bizarr und ganz anders als erwartet. Die Straßen und Gebäude im Inneren des gegnerischen Kordons sehen anders aus als alles, was ich bisher gesehen habe. Außerhalb der

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