Todesinstinkt
»Wir stehen vor einer Präsidentenwahl, falls Ihnen das noch nicht aufgefallen ist.«
»Ich gehe dann wohl besser«, bemerkte Littlemore.
»Nur noch eine Minute, Littlemore. Wir waren noch nicht fertig.«
»Detective Littlemore?« Brighton strahlte. »Ich wollte mich bei Ihnen bedanken, Detective. Ohne Ihre Hilfe wäre ich ... ich ... was wäre ich gleich wieder? Oje, ich hab’s vergessen. Wofür wollte ich Detective Littlemore nur danken?«
»Woher zum Henker sollen wir wissen, wofür Sie sich bei ihm bedanken wollen?«, brüllte Fall.
»Wo ist Samuels?«, fragte Brighton in kläglichem Ton. »Samuels ist mein Sekretär. Er würde sich erinnern. Weiß hier jemand, wo Samuels ist?«
Fall musste sich sichtlich zusammennehmen, um die Stimme zu senken. »Ich war mitten in einem wichtigen Gespräch, Brighton. Raus mit Ihnen, reden Sie mit meiner Sekretärin.«
»Aber dieser Bursche, dieser Obregón, will meine Bergwerke in Mexiko übernehmen«, protestierte Brighton. »Als Nächstes kommen dann die Ölquellen. Alles. Er schickt Soldaten mit Waffen, um Himmels willen! Das sind amerikanische Arbeiter. Es ist zu Prügeleien und Morddrohungen gekommen. Sie müssen etwas unternehmen, Fall. Ich weiß, ich habe Harding nicht mit Geld unterstützt. Das ist nicht meine Schuld. Alle haben gesagt, dass der andere gewinnt, Cox. Aber jetzt unterstütze ich ihn. Sie müssen nur den Betrag nennen. Sagen Sie mir, wohin ich das Geld schicken soll. Werfen Sie einfach ein paar Bomben auf Mexiko-Stadt – vielleicht auf das Kapitol dort und die feineren Viertel –, dann werden sie sicher klein beigeben.«
Fall brauchte eine Weile, ehe er antworten konnte. »Sie widern mich an, Brighton. Wissen Sie was? Ich bin nicht käuflich. Die republikanische Partei ist nicht käuflich. Und die US Army auch nicht. Ich lasse nicht zu, dass Harding sich in Mexiko verzettelt, und ich werde bestimmt nicht die Armee aufbieten, um Ihre Unternehmen zu schützen.«
»Sie wollen den Amerikanern in Mexiko nicht helfen?«
»Das sind Ihre Angestellten«, entgegnete Fall. »Also helfen Sie ihnen gefälligst auch.«
Brighton machte einen zerstreuten Eindruck. »Das ist alles?«
»Darauf können Sie wetten. Und jetzt raus.« Fall nahm Brighton am Arm und bugsierte ihn ins Nachbarzimmer, aus dem gleich darauf die Frage des Industriellen drang, ob jemand Samuels gesehen hatte.
»Ich muss auch gehen, Mr. Fall«, sagte Littlemore, als der Senator zurückkam.
»Ich habe Ihnen eine Frage gestellt, Littlemore. Werden Sie mir die Beweise zeigen, wenn Sie eine Verbindung zwischen dem Anschlag und den Russen finden?«
»Das kann ich Ihnen nicht versprechen, Mr. Senator. Aber ich werde über Ihre Worte nachdenken.«
A uf den Stufen des Senatsbürogebäudes bemerkte Mrs. Cross, die Littlemore hinausbrachte: »Sie haben den Senator ganz schön um den Finger gewickelt.«
»Tatsächlich?«
»Tatsächlich. Sie haben ihm die Stirn geboten. Das mag er. Sie könnten es weit bringen in dieser Stadt. Vorausgesetzt, Sie lernen, wie man sich anzieht.«
»Stimmt was nicht mit meiner Kleidung?«
Sie fasste nach dem Kragen seiner Jacke und drückte einen Flügel nach unten, der salutierte, statt glatt anzuliegen. »Welche Partei unterstützen Sie, Agent Littlemore? Sind Sie ein Demokrat wie Minister Houston? Oder ein Republikaner wie Senator Fall?«
»Ich gehöre keiner Partei an, Ma’am.«
»Nein? Und wen mögen Sie, Cox oder Harding?«
»Hab mich noch nicht entschieden. Meine Frau mag Debs.«
»Interessant«, fand Mrs. Cross. »Aber an Ihrer Stelle würde ich das nicht mehr erwähnen.«
»Was — dass ich eine Frau habe oder dass sie für Debs ist?«
»Hängt davon ab, ob Sie mit einer Frau oder einem Mann reden. Auf Wiedersehen, New York.« Auf hohen Absätzen entfernte sich Mrs. Cross mit einer Art geschäftsmäßigem Schreiten, dessen anmutige Bewegungen jeden Mann, ob ledig oder verheiratet, in ihren Bann zogen. Littlemore beobachtete, wie sie mit beschwingtem Gang im Senatsbürogebäude verschwand.
Kaum war Mrs. Cross außer Sicht, als eine Männerstimme hinter ihm ertönte. »Detective Littlemore, sind Sie das? Samuels war die ganze Zeit hier draußen und hat auf mich gewartet.« Brighton stand neben einem luxuriösen Automobil mit geschlossenem Fahrgastraum und einem Dach, das über seinen Chauffeur hinausragte. Brighton schien den Verbleib seines Sekretärs für eine Frage von öffentlicher Bedeutung zu halten. »Warum hat er das nur
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