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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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gewalttätigen Mann ein. Sie verzeihen ihm jede Misshandlung. Das halten sie für Liebe, aber sie irren sich. In Wirklichkeit wollen sie für ihre Sünden bestraft werden, wahre und eingebildete, oder für die einer anderen Person. Irgendetwas
an Mademoiselle Rousseaus Verbundenheit mit diesem Gruber stimmt nicht. Das spüre ich. Ich kann Ihnen nur raten, Sie nicht aus den Augen zu lassen. Sie wirft sich in die Arme eines Verbrechers.«
    »Vielleicht kommt sie zur Vernunft, wenn er sie schlägt.«
    Freud zog eine Augenbraue hoch, und Younger fragte sich unwillkürlich, ob er selbst die Gewohnheit, eine einzelne Braue zu lüpfen, von Freud abgeschaut hatte. »Sie meinen also, sie hat sich auf ihn eingelassen, und wollen sie nicht aufhalten?«
    »Ich kann nicht über Colette bestimmen.«
    »Sie wollen, dass sie bestraft wird, weil sie sich für einen anderen entschieden hat. Sie lassen sie gehen – das ist Ihre Rache.«
    »Sie gehen lassen? Ich habe einen Ozean überquert, um sie umzustimmen.«
    »Sie können sie nicht umstimmen. Aber vielleicht können Sie sie beschützen.«
    »Wovor?«
    »Vor diesem Gruber. Vor einer Entscheidung, die sie ihr ganzes Leben lang bereuen wird.«
     
    I m Hotel wartete eine Nachricht auf Younger.
    Lieber Stratham!
    Ich muss mich beeilen, um einen Zug zu erreichen. Ich bin nicht zum Radiuminstitut gegangen, sondern zum Gefängnis. Dort habe ich erfahren, dass Hans Wien verlassen hat und nach Braunau am Inn gezogen ist. Ich glaube, das ist seine Heimatstadt. Es gibt nur einen Zug pro Tag nach Braunau, und erfährt in einer halben Stunde. Wahrscheinlich komme ich morgen zurück.
Luc ist oben in meinem Zimmer. Bitte passen Sie auf ihn auf. Ich hoffe, eines Tages werden Sie alles verstehen.
    Ihre
    Colette
    Lange Zeit starrte Younger benommen auf das Blatt. Er fuhr sich mit den Händen durchs Haar. Dann sandte er einen Boten nach Oktavian Kinsky, dem adeligen Kutscher.
     
    E ine Stunde später warteten Younger und Luc im Hotelfoyer, als Oktavian erschien. Er war flott gekleidet mit einer Lederjacke und einer Mütze, wie sie von Chauffeuren in offenen Automobilen getragen wurde. »Ich weiß, Sie wollten ein Automobil, Monsieur, aber mehr konnte ich so kurzfristig nicht tun. Dennoch völlig ausreichend. In sechs Stunden bringe ich Sie nach Braunau.«
    Er deutete nach draußen, wo ein chromblitzendes Motorrad mit holzgetäfeltem Beiwagen stand.
    »Das nützt mir nichts«, sagte Younger.
    Nun erkannte auch Oktavian die Schwierigkeit. Luc war ebenfalls für die Reise zurechtgemacht, und im Beiwagen hatte nur ein Passagier Platz. »Der junge Mann fährt auch mit? Das war mir nicht klar.«
    Younger trat nach draußen, gefolgt von Oktavian und Luc. »Ich fahre mit dem Jungen.«
    »Aber das Motorrad gehört mir nicht«, erwiderte Oktavian. »Ich glaube nicht ...«
    »Morgen bekommen Sie es wieder, das verspreche ich Ihnen. Und die hier nehme ich auch, wenn Sie erlauben.« Younger erleichterte den Kutscher um seine Lederjacke. »Und die Mütze.«

    »Herrje«, ächzte Oktavian.
    In der Abdeckung des Beiwagens befand sich ein Loch für den Mitfahrer. Sie ließ sich in zwei Hälften teilen, unter denen ein Polstersitz und ein kleines Gepäckfach zum Vorschein kamen. Younger zog Luc die Lederjacke an und schob ihm die Mütze über die Ohren, verstaute ihn auf dem Sitz und zurrte die beiden Klappen fest. Wenig später waren sie bereits unterwegs.
    Beim Fahren brachte Younger dem Jungen bei, sich in die Kurven zu lehnen, um die Geschwindigkeit zu steigern. Jacke und Mütze hingen viel zu groß an Luc, aber sie hielten ihn warm. Younger äußerte sich nicht über den Zweck ihrer Reise, und der Kleine fragte nicht. Alles in allem war die Fahrt gar nicht so schlecht – bis der Regen einsetzte.
    Ohne jede Vorwarnung zuckte vor ihnen der erste Blitz über den Himmel. Unmittelbar darauf wurde die Luft von einem Donnerschlag erschüttert, als wäre direkt über ihnen eine Haubitze abgefeuert worden. Erschrocken packte Luc Younger am Arm. Younger verlor kurz die Kontrolle über den Lenker, und das Motorrad wäre fast seitlich ausgebrochen. Als er die Maschine wieder gerade ausgerichtet hatte, fuhr Younger den Jungen grob an. »Wenn du Angst hast«, fügte er hinzu, »musst du dich langsamer bewegen, nicht schneller.«
     
    D ie Stadt Braunau am Inn war beschaulich und vollkommen deutsch im Charakter, nur einen Steinwurf von Bayern entfernt. Auf malerischen kleinen Plätzen grenzten bunte Häuser mit spitzen

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