Todesinstinkt
Littlemore.
»Wie, Sie haben meinen privaten Kalender durchgesehen? «
»Ihre Sekretärin hat ihn offen auf dem Schreibtisch liegen lassen. War das gerade Mr. Lamont, Sir?«
»Ja. Die Bankiers treffen sich heute zu einer Großversammlung. So was ist nie ein gutes Zeichen.«
»Der Krieg mit Mexiko?«
»Offensichtlich.«
»Machen Sie sich deswegen Sorgen, Mr. Houston?«
»Verflucht — warum stellt mir jeder diese Frage? Ich mache mir Sorgen, weil die Finanzen des Landes in Anspruch genommen werden. Was wissen Sie von dieser mexikanischen Geschichte? Mehr, als in den Zeitungen steht, denke ich. Woher haben Sie bloß Ihre Informationen, Littlemore? Und was treiben Sie hier überhaupt?«
»Wollte nur mal einen Blick in die Münzanstalt werfen, Mr. Houston.«
»Warum?«
»Vielleicht ist das gestohlene Gold dort versteckt. Das würde erklären, weshalb niemand den Fluchtlastwagen gesehen hat. Wenn es keinen Fluchtlastwagen gegeben hat, kann ihn auch niemand gesehen haben.«
»Unsinn. Seit dem sechzehnten September war ich schon ein Dutzend Mal in der Münzanstalt. Das Gold ist nicht hier.«
Der Detective kratzte sich am Hinterkopf. »Bei Gold im Wert von fast einer Milliarde Dollar können Sie erkennen, dass die vier Millionen, nach denen wir suchen, nicht da sind?«
»Ja, das kann ich. Außerdem erkenne ich, dass die Zeit Ihrer Nützlichkeit für mich vorbei ist. Aber Sie wird das nicht weiter stören, da Sie sowieso schon längst nicht mehr für mich arbeiten. Sie sind für Senator Fall tätig, nicht wahr? Was hat er Ihnen versprochen?«
»Haben Sie auch in dem verborgenen Tresorraum im ersten Stock nach dem Gold geschaut, Mr. Houston? Dem Raum hinter der Wand zum Büro des Hausmeisters?«
In Houstons Augen zuckte ein neuer Ausdruck auf. Littlemores geübter Blick erkannte ihn sofort: ein schlechtes Gewissen. »Woher wissen Sie von diesem Raum?«
»Aus den Bauplänen, Mr. Houston. Sie haben sie mir gegeben. Auch das von Ihnen unterzeichnete Dokument habe ich gefunden, in dem Sie Riggs und die anderen anweisen, in der Nacht des fünfzehnten September mit der Verlegung des Goldes anzufangen.«
»Und was soll das beweisen?«
»Nichts. Macht es Ihnen was aus, wenn ich mit Ihnen das Gebäude betrete?«
Houston kehrte Littlemore den Rücken zu und stapfte gegen den Wind die Treppe hinauf. Er rief die beiden unmittelbar neben der imposanten Eingangstür postierten Soldaten an. »Niemand betritt dieses Gebäude, haben Sie verstanden? Niemand.«
Die Stimme des Ministers klang merkwürdig dünn in der böigen Luft. Die Soldaten warfen sich einen Blick zu. Als sich Houston der Tür näherte, traten sie vor und verstellten ihm den Weg.
»Soll das ein Witz sein? Ich meine, niemand sonst betritt das Gebäude. Wegtreten.«
Die Soldaten rührten sich nicht.
»Ich sagte, wegtreten.«
»Verzeihung, Sir«, sagte einer der Infanteristen. »Befehl.«
»Wessen Befehl?«
»Von Mr. Baker, Sir.«
Selbst von hinten konnte Littlemore nicht entgehen, dass Minister Houston zusammenfuhr. »Mr. Baker, der Kriegsminister? «
»Ja, Sir.«
»Sie müssen sich irren.«
»Nein, Sir.«
»Das ist ein Skandal. Das hier ist mein Gebäude. Der Kriegsminister hat nicht das Recht, dem Finanzminister den Zutritt zu einer Münzanstalt der Vereinigten Staaten zu verwehren.«
»Wir unterstehen seinem Befehl, Sir.«
Houston schritt voran, um zu sehen, ob die Soldaten es wagen würden, ihn aufzuhalten. Sie taten es. Als er weiterdrängte,
stießen sie ihn nach hinten — zwei uniformierte junge Männer, die gewaltsam gegen einen sechzigjährigen Minister in Abendgarderobe vorgingen. Houston stürzte zu Boden, sein Zylinder rollte über das Pflaster und segelte erneut davon in die Nacht. Als er wieder stand, war sein Gesicht dunkelrot. Unsicher wankte er die Treppe hinunter und steuerte auf seinen Wagen zu. Der Chauffeur sprang heraus und öffnete ihm die hintere Tür. Wortlos stieg Houston ein.
Littlemore legte die Hand auf die Tür, als der Fahrer sie schließen wollte. »Ich weiß, was Sie getan haben, Mr. Houston. «
»Sie sind entlassen«, blaffte der Minister. »Geben Sie mir Ihre Marke. Das ist ein Befehl.«
Littlemore reichte ihm die Marke. Diese Trennung tat nicht so weh wie die letzte.
»Und jetzt treten Sie von meinem Wagen weg.«
»Aber ich weiß auch, was Sie nicht getan haben.« Littlemore drückte Houston ein großes, gefaltetes Papier in die Hand. »Kommen Sie pünktlich, Mr. Houston. Und bringen Sie Verstärkung
Weitere Kostenlose Bücher