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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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zeigen, dass er keine Schusswaffe hatte – wenngleich er mit der Rechten noch immer die Gardinenstange umklammerte. Littlemore lag auf dem Boden und hielt sich die blutende linke Schulter. Der Phonograph war verstummt, als der Detective gegen den Tisch geprallt war. Das einzige Geräusch im Zimmer war jetzt das eines großen Reagenzglases, das langsam über die Tischplatte rollte.
    Drobac bellte etwas Unverständliches in Miljans Richtung, der eine ebenso unverständliche Antwort gab. »Umdrehen«, befahl Drobac in einem breiten osteuropäischen Akzent, den Younger nicht erkannte. »Sonst ich dich bringe um.«
    Younger bemerkte, dass Luc voller Ernst zum Tisch deutete. Der Blick des Jungen hing an dem rollenden, verschlossenen Reagenzglas, das mit einem kristallinen schwarzen Pulver gefüllt war und gleich zu Füßen des liegenden Littlemore auf den Boden stürzen würde. Wie Luc offenbar wusste, handelte es sich bei dem Pulver um Urandioxid, eine nicht nur radioaktive, sondern auch pyrophore Substanz, was hieß, dass sie sich bei der Berührung mit Luft entzündete.
    »Fangen Sie es auf«, sagte Younger leise zu Littlemore.
    »Was?«
    »Das Reagenzglas.«
    Littlemore schaute zum Tisch, gerade als das Glas über den Rand rollte, und fing es mit der unverletzten rechten Hand auf.
    »Und jetzt ein Fetter«, setzte Younger fast unhörbar hinzu. »Am Broadway.«
    »Halt Mund!«, knurrte Drobac. »Wo sind sie? Ich sage umdrehen. Schieß ich dich in Rücken.«

    »In Ordnung, ich dreh mich um.« Als er sich ganz langsam zu Drobac umwandte, fing er Littlemores Blick auf und nickte. Der Detective hatte verstanden, was der Arzt von ihm wollte: »Ein Fetter am Broadway« war Baseballslang für einen leicht zu fangenden Wurf. Was er nicht begriff, war der Grund. Achselzuckend lupfte Littlemore das Reagenzglas vor Younger ungefähr eineinhalb Meter in die Luft. Weit ausholend zertrümmerte Younger mit der Gardinenstange als Schläger das Reagenzglas, so dass eine schwarze Wolke aus Urandioxid auf Drobac zuschoss, die sich sofort in einen Feuerball verwandelte.
    Plötzlich brannte Drobac von den Schultern aufwärts und wurde zu einer Säule aus blauen und grünen, gelben und roten Flammen. Die Arme blind von sich gestreckt wankte er in die Mitte des Zimmers und ließ die Pistole fallen, um nach seinem lodernden Bart zu fassen. Younger griff nach der Waffe am Boden, und auch Littlemore nahm eilig seine Pistole an sich.
    Unmittelbar darauf war das Pulver abgebrannt wie eine Wunderkerze. Das Feuer war verpufft und hinterließ nur Rauchkringel und einen verkohlten Mann im gestreiften Anzug, der sich aufs Gesicht klopfte, wie um sich zu vergewissern, dass er noch eines hatte. Der Ausdruck seiner Augen wandelte sich von wild über ruhig zu kleinlaut. Niemand bewegte sich. Younger und Littlemore zielten mit ihren Waffen auf Drobac. Im Zimmer hing der Geruch von versengtem Haar.
    Drobac spannte sich an. Langsam zog er ein großes Messer aus der Jacke.
    »Das soll wohl ein Scherz sein«, fauchte Littlemore.
    Doch Drobac rannte direkt auf das große Fenster zu und
schnippte kurz mit dem Handgelenk, ehe er durch die Scheiben krachte, die Younger vor wenigen Minuten als Eingang hatte benutzen wollen. Littlemore feuerte nicht. Younger hingegen schon, gleich mehrfach, aber die Waffe klemmte – wahrscheinlich war ihr Mechanismus von dem brennenden Urandioxid in Mitleidenschaft gezogen worden. Littlemore und Younger hasteten zum Fensterbrett und beobachteten einen Mann, der sich unten vom Asphalt hochrappelte und davonhinkte, bis er mit dem Schatten verschmolz.
    »Seht nur!« Colette deutete zum Kamin.
    Miljan starrte mit glasigem Blick ins Leere. Wie sich herausstellte, hatte Drobac ein Souvenir hinterlassen: Sein Messer ragte aus dem Herzen seines Komplizen.
     
    E rst nach längerer Zeit trafen weitere Polizisten zusammen mit einem Unfallwagen für den Abtransport der Leichen ein. Nach einigem Hin und Her erklärte sich Littlemore bereit, ins Krankenhaus zu fahren, um seine Schulter versorgen zu lassen. Danach stellte sich die Frage, wo Colette und Luc die Nacht verbringen sollten.
    Nach Auffassung des Detectives durften sie keinesfalls ins Commodore Hotel zurückkehren. Littlemores Frau Betty, die ins Krankenhaus geeilt war, nachdem sie von der Verletzung ihres Mannes erfahren hatte — und dann fast verärgert schien, weil die Wunde so harmlos war –, überredete alle, in die Wohnung der Familie an der Fourteenth Street zu

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