Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
gelesen? Ich habe nichts auf Französisch gefunden.«
    »Ich habe ihn gelesen, und ich kenne ihn. Sogar persönlich.«
    »Was? Das ist ja wunderbar!«, rief Colette. »Wenn der Krieg vorbei ist, will ich ihm schreiben. Wir haben zwar kein Geld, aber ich hoffe trotzdem, dass er bereit ist, sich Luc anzuschauen. Würden Sie mir dabei helfen?«
    »Nein.«
    »Nein? Warum nicht?«
    »Ich glaube nicht an Freuds Psychologie«, antwortete er. »Ich glaube überhaupt nicht an Psychologie. Granatsplitter, Bakterien, Schwefel – wenn man sie beseitigt, besteht eine gute Chance, dass man einen Menschen heilt. Aber ›Neurose‹? Das ist doch nur ein Ausdruck dafür, dass man keine Diagnose stellen kann. Woher wollen Sie denn wissen, dass Luc keinen Schaden am Kehlkopf hat?«
    »Ich weiß, dass er reden kann. Ich weiß es. Er will bloß nicht.«
    »Wenn Sie Recht haben, dann ist er eben schüchtern. War ich auch in seinem Alter.«
    »Er ist nicht schüchtern.« Colette schüttelte den Kopf. »Es ist – wie soll ich sagen? Als würde er sich der Welt verweigern.«
    »Absolut vernünftig, wenn man bedenkt, was er von ihr gesehen hat. Halten Sie dort drüben.«

    Knirschend kam der Lastwagen zum Stillstand. »Dr. Freuds Patienten werden gesund. Das sagen alle.«
    »Das ist kein Beweis für die Richtigkeit seiner Theorien.«
    »Was spielt das denn für eine Rolle, wenn es den Patienten besser geht?«
    »Warum bringen Sie ihn dann nicht gleich zu einem Quacksalber?«
    »Das würde ich ja, wenn er davon gesund wird. Dafür würde ich alles tun.«
    Younger öffnete die Tür. »Ihrem Bruder fehlt nichts im Kopf. Alles, was er braucht, ist ... dass dieser verdammte Krieg aufhört.«
     
    A m 13. Juli blieb Younger die ganze Nacht an der Front, um mehrere Schwerverletzte zu versorgen. Erst am nächsten Abend gelangte er zurück zum Stützpunkt. Trotz der späten Stunde nahm er einen Transportwagen und fuhr ihn zu der französischen Stellung, wo Colette in der Regel zu finden war. Als er ankam, wusch sie gerade einige Kleider im Licht der Lastwagenscheinwerfer.
    Sie lief zu ihm, bis sie knapp vor ihm stand, ohne ihn zu berühren. »Wo waren Sie? An der Front?«
    Nach einer gewissen Zeit denken Männer im Krieg entweder nicht mehr an den Tod, oder sie werden von der Vorstellung gelähmt. Younger dachte nicht mehr daran. »Im Moment habe ich mich ohne Erlaubnis von der Truppe entfernt. Dafür könnte ich vor ein Kriegsgericht gestellt werden.«
    »Wirklich?«
    »Schon gut. Meine Ordonnanz weiß, wo ich bin. Wir müssen doch den französischen Nationalfeiertag begehen.« Aus
seinem Wagen förderte er eine Flasche Dessertwein, zwei Gläser, eine Dose Foie gras, ein Stück Blauschimmelkäse, ein Glas eingemachte Erdbeeren, frische Butter und eine Mischung englischer Kekse zutage. »Nicht unbedingt revolutionär, aber mehr konnte ich nicht ergattern.«
    »Wo haben Sie das alles her?«
    »Gestatten Sie, Mademoiselle?«
    Sie lächelte. »Mit Vergnügen.«
    Sie breitete eine Decke auf dem Gras aus und platzierte die Sachen darauf. Die Nacht war warm. Er warf seine Lederjacke auf den Boden, legte Mütze und Pistolengurt ab und machte sich daran, den Korken aus dem Wein zu ziehen. Doch er hielt inne, als von seinen Fingern Blut auf die Flasche tropfte. »Können Sie eine Wunde vernähen?«
    Sie schob seinen Ärmel zurück, und auf seinem Unterarm kam eine tiefe Risswunde zum Vorschein. »Warten Sie.« Kurz darauf kehrte sie mit Faden und Desinfektionsalkohol zurück. »Ich habe kein Betäubungsmittel.«
    »Dafür?« Er lachte.
    Sie träufelte den klaren, zischenden Alkohol auf die Verletzung und führte die Nadel durch ein Stück blutende Haut, dann durch ein anderes, bevor sie den Faden zusammenzog. »Wie halten Sie das nur aus?«
    »Ich spüre nichts.«
    »Natürlich spüren Sie es.« Sie nähte weiter.
    »Es ist mir gleichgültig.«
    »Wer keinen Schmerz fühlt, fühlt auch keine Freude.«
    »Freude ist mir auch gleichgültig.«
    »Die Krankenschwestern erzählen was anderes.«
    »Wie bitte?«
    »Wie lange haben Sie nicht mehr geschlafen?«

    »In mancher Hinsicht sind Sie mir ein Rätsel, Miss Rousseau. Vor allem, weil Sie Paris verlassen haben, um in einem Lastwagen zu hausen. Und erzählen Sie mir jetzt bitte nicht, dass es Ihre Pflicht gegenüber Frankreich ist.«
    »Warum nicht?« Sie durchstach das letzte Stück abstehende Haut. »Stillhalten.«
    »Frauen handeln nicht aus Patriotismus. Irgendwo steckt da immer ein Mann dahinter.«
    »Sie

Weitere Kostenlose Bücher