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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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sind unverbesserlich.« Sie schnitt den Faden ab und verknotete ihn. »Fertig.«
    Er spannte die Hand an und nickte. Dann öffnete er den Wein, schenkte ihr ein und brachte einen Toast auf das weibliche Geschlecht aus. Sie antwortete mit einem Toast auf Frankreich. Sie setzten sich zu ihrer Mahlzeit nieder. »Sicher sind Sie einem Jungen gefolgt«, fuhr Younger fort. »Er wurde an die Front gerufen, und das war die einzige Möglichkeit, ihn zu begleiten. Die Frage ist nun, ob Sie ihn aus den Augen verloren haben oder er Sie.«
    »Ich bin keinem Jungen gefolgt.«
    »Verzeihung – einem Mann natürlich.«
    »Auch keinem Mann.«
    »Einer Frau?«
    Sie warf einen Keks nach ihm.
    »Entschuldigung, aber das passt einfach nicht zusammen. Sie haben die Sorbonne verlassen, dabei war die Zeit dort bestimmt das Wichtigste in Ihrem Leben. Sie wissen doch, dass man Sie nach dem Krieg nicht mehr zulassen wird. Der Andrang von Männern, deren Studium unterbrochen wurde, wird zu groß sein.«
    »Ja.« Sie wischte Krümel von der Decke, ließ sich aber kaum etwas von ihrer tiefen Enttäuschung anmerken. »Sogar
Madame hat mich gewarnt, dass mir ihre Fürsprache nicht helfen wird.«
    »Warum haben Sie die Universität dann verlassen?«
    »Ich konnte die Wohltätigkeit nicht mehr ertragen.«
    Er war nicht in der Lage, den Ausdruck in ihren Augen zu deuten.
    Sie fuhr fort. »Es gibt Leute, die bereit sind, andere unterzubringen und zu ernähren, die ihre Familie verloren haben. Aber diese Wohltätigkeit hat ihren Preis. Hier draußen haben wir ein Dach über dem Kopf, und ich muss niemanden um Brot bitten.«
    »Was für einen Preis?«, fragte Younger.
    »Abhängigkeit.«
    »Wir sind alle abhängig, solange wir jung sind. Mindestens von der Familie.«
    »Abhängigkeit von der eigenen Familie ist etwas Schönes«, erklärte sie. »Abhängigkeit von Fremden, das ist etwas anderes.«
    Wieder setzte sie ihre undurchdringliche Miene auf, doch diesmal durchschaute Younger sie.
    »Aha«, stellte er fest. »Dann haben Sie also nicht gelogen, aber ich hatte trotzdem Recht.«
    »Was soll das heißen?«
    »Sie sind keinem Mann gefolgt, als Sie Paris verlassen haben. Sie sind vor einem geflohen. Ein Mann, der einen Lohn für seine Wohltätigkeit erwartet hat.«
    Sie blickte ihn über den Rand des Glases hinweg an.
    »Sie hatten eine ... intime Beziehung mit ihm. Niemand kann Ihnen daraus einen Vorwurf machen.«
    »Sie sind sehr neugierig, was meine Beziehungen angeht.«
    »Jede Frau hätte an Ihrer Stelle das Gleiche getan.«

    »Eine Amerikanerin vielleicht. Aber ich nicht. Und Sie werden mir glauben, wenn ich Ihnen verrate, wer es war: Monsieur Langevin.«
    Paul Langevin war der große französische Physiker, dem vor einigen Jahren in Zeitungsberichten auf der ganzen Welt eine Affäre mit Marie Curie nachgesagt worden war.
    »Ich hätte es wissen müssen«, bemerkte Younger. »Sie haben seinen Namen in meiner Gegenwart schon einmal erwähnt, mit einer Feindseligkeit, wie Sie sie sonst nur in das Wort ›Deutsche‹ legen. Was hat der Schurke gewollt?«
    »Mich im Labor entkleiden.«
    »Der Halunke. Welcher Ort wäre Ihnen lieber gewesen?«
    »Finden Sie das etwa komisch? Das ist der Mann, den Madame liebt. Für den sie alles verloren hat. Und er macht sich praktisch unter ihrer Nase an mich heran.«
    »Wenigstens hat er einen guten Geschmack.«
    Sie vollführte eine wegwerfende Handbewegung. »Sie wollen mich doch nur provozieren. Es war eine schreckliche Situation. Er hatte Luc und mich in seinem Haus aufgenommen. Aus Freundlichkeit, wie ich dachte. Aber dann kam die Sache im Labor, und das war nicht das einzige Mal. Später, in seinem Haus ...«
    »Mit Gewalt?«
    »Nein, wenn ich mich gesträubt habe, hat er mich losgelassen. Aber er hat mich dazu gezwungen, ihn wegzustoßen. Es war unerträglich. Wenn ich nur bei ihm ausgezogen und in Paris geblieben wäre, hätte Madame sofort Verdacht geschöpft und mir nicht geglaubt. Es wäre die reinste Qual für sie gewesen. Und sie hätte mich gehasst.«
    »Also haben Sie gelernt, einen Lastwagen zu steuern.«
    »Etwas anderes ist mir nicht eingefallen. Ich musste die
Universität verlassen. Er fand ständig einen Vorwand, um mir nah zu sein. Früher oder später hätte Madame das bemerkt.«
    Younger sann über das Gehörte nach. »Sie haben die Sorbonne aufgegeben, um sie zu schonen.«
    Sie blieb lange stumm. »Es gibt drei Dinge, die ich in meinem Leben erreichen will. Erstens will ich, dass Luc gesund

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