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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Minuten, Mademoiselle Rousseau. Wir gehen in mein Arbeitszimmer, Younger.«
     
    F reud saß am Schreibtisch seines Arbeitszimmers, das mit weiteren Antiquitäten bevölkert war. »Und wie soll ich Ihrer Meinung nach einen Jungen analysieren, der nicht reden kann?«
    »Aber Sie ...«
    »Das klingt wie der Anfang von einem Witz: Kommt ein Stummer zu Sigmund Freud ... Wenn hier etwas analysiert werden muss, dann Ihr Verhalten, mein Junge.«
    » Mein Verhalten?«
    Freud hob den Deckel einer Holzkiste. »Zigarre?«
    »Danke, gern.«
    Mit einer zarten Schere beschnitt Freud die Zigarre. »Nun, Sie möchten mir etwas mitteilen, und ich Ihnen auch. Fangen wir damit an, was Sie mir sagen wollen.«
    Younger sann nach, wie er sich ausdrücken sollte.
    »Erlauben Sie?« Freuds Auge funkelte. »Als Erstes möchten Sie mir zu verstehen geben, dass es nicht Ihre Idee war, den Jungen herzubringen.«
    Younger antwortete nicht.
    »Wäre es Ihre Idee gewesen«, setzte Freud hinzu, »hätten Sie Mademoiselle Rousseau das Wesen der Psychoanalyse erklärt und ihr erzählt, dass Sie sie selbst praktiziert haben. Aber das haben Sie nicht getan. Somit war die Idee von ihr. Außerdem haben Sie der Analyse des Jungen nur widerstrebend
zugestimmt, und zwar, weil Sie mit einer bestimmten Diagnose von mir rechnen. Mademoiselle Rousseau ist offenbar schon seit einiger Zeit seine Ersatzmutter. Daher erwarten Sie von mir die Schlussfolgerung, dass er mit ihr schlafen will, und Sie möchten nicht, dass sie davon erfährt.«
    Younger war völlig perplex.
     
    E s gibt nur einen anderen Menschen, den ich ständig frage, woher er das weiß. Und der sitzt mir gerade gegenüber und hört sich meine Geschichte an.«
    »Das haben Sie nicht wirklich gesagt.« Littlemores abgewetzte schwarze Schuhe lagen wieder übergeschlagen auf dem Küchentisch. »Aber unterbrechen Sie sich doch nicht immer. Das verdirbt die ... äh ...«
    »Dramatische Wirkung?«
    »Genau. Wissen Sie, dieser Freud, der sollte Detektiv werden. Aber Sie haben da ja einiges durcheinandergeworfen, Doc. Das hat sich angehört, wie wenn dieser Freud meint, Luc will mit Colette schlafen. Und zwar weil sie schon so lange seine Mom war!« Littlemore brach in lautes Lachen aus, verstummte aber, als er Youngers ungerührte Miene bemerkte. »Das glaubt er doch nicht im Ernst.«
    Younger nickte.
    »Das kann nicht sein.«
    »Deswegen praktiziere ich nicht mehr als Psychoanalytiker. « Younger drehte sein Glas. »Ich habe Freud schon vor zehn Jahren erklärt, dass ich nicht daran glaube. Deswegen hat er gewusst, was ich denke.«
    »Und was haben Sie geantwortet?«

    Ja, ich wäre Ihnen in der Tat sehr dankbar, wenn Sie ihr das nicht sagen würden, Dr. Freud. Sie würde es sofort glauben.«
    »Sie dagegen nicht.«
    »Nein.«
    Freud zog an seiner Zigarre und nickte.
    »Es tut mir leid«, fuhr Younger fort, »aber ich kann mich nicht zu der Auffassung durchringen, dass Lucs Probleme etwas mit dem Wunsch zu tun haben sollen, mit seiner Schwester, seiner Mutter oder einer anderen Verwandten zu schlafen. Wenn er überhaupt eine Neurose hat, dann ist es eine Art Kriegsneurose, die nichts mit Sexualität zu tun hat.«
    »Und worauf gründen Sie diese Diagnose? Sie erinnern mich an die staatlichen Ärzte, die an unserer Konferenz in Budapest teilgenommen haben. ›Ja, das muss man Freud lassen. Der Alte hatte doch Recht mit seinem Unbewussten. Kriegsneurosen werden durch unbewusste Erinnerungen ausgelöst, so wie Freud es immer behauptet hat. Aber diese abstoßende Sache mit der Sexualität? Gott sei Dank hat das nichts mit so etwas wie Granatenschock zu tun.‹ Bisher wurde noch kein Fall von Kriegsneurose bis zu den Wurzeln analysiert. Wir wissen nicht, welche Verbindung da zu Kindheitswünschen besteht. Deswegen finde ich Mademoiselles Bruder so interessant.«
    »Sie wollen wissen, ob hinter seinen Symptomen nicht vielleicht Ödipus steckt?«
    »Wenn er wirklich dahintersteckt, warum soll man ihn dann nicht ans Licht holen? Aber Sie dürfen nicht glauben, dass ich in meinen Erwartungen so festgelegt bin. Möglicherweise verbirgt sich etwas ganz anderes in dem Jungen.
Ich bin da einer neuen Sache auf der Spur – vorerst ist es nur eine Ahnung.«
    »Worum handelt es sich?«
    »Diese Frage kann ich nicht beantworten, weil ich es noch nicht weiß.« Freud klopfte Asche von seiner Zigarre. »Wir sind noch nicht darauf zu sprechen gekommen, was ich Ihnen mitteilen wollte.«
    »Ich soll meine Ablehnung des

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