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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Ecke und vertiefte sich in eins von Freuds Büchern.
    Freud wandte sich an Colette. »Wollen Sie mir den Jungen nicht ein oder zwei Tage hierlassen? Ich kann noch keine richtigen Sitzungen mit ihm abhalten, aber wenn er unter meinem Dach wäre, könnte ich ihn wenigstens beobachten.«
    Younger merkte, dass er Freuds Vorschlag begrüßte, wenn auch nicht aus psychiatrischen Gründen. Wenn der Junge bei den Freuds untergebracht war, hieß das, dass er und Colette im Hotel ungestört waren.
    »Sie könnten auch hier wohnen, Mademoiselle Rousseau«,
fügte Freud hinzu. »Unser Nest ist leer. Anna ist gerade zu Besuch bei ihrer Schwester in Berlin. Ihr Zimmer steht Ihnen zur Verfügung.«
    Younger verbrachte die Nacht allein im Hotel.
     
    C olette sollte am nächsten Morgen nach dem Frühstück ins Hotel kommen. Und sie erschien tatsächlich nach dem Frühstück – doch da war es schon früher Nachmittag.
    »Martha und Minna haben mit Luc einen Jahrmarkt besucht. « Es klang, als wollte sie damit ihre mehrstündige Verspätung erklären. »Er ist so energisch — Dr. Freud. Diese Augen. Er sieht alles.«
    »Ich weiß genau, wo Sie waren. In Hütteldorf.«
    »Ja. In der Nähe der Freuds ist ein Bahnhof. Ich wollte Sie nicht bemühen. Aber ...« Flehend hob sie die Augenbrauen.
    »Sie müssen nochmal hin.«
    »Könnten Sie mir noch ein einziges Mal helfen?« Sie setzte ihr gewinnendstes Lächeln auf. »Ich habe das Haus gefunden, in dem er wahrscheinlich gewohnt hat, aber ich habe niemanden verstanden. Ich glaube nicht, dass die Grubers noch dort wohnen, aber vielleicht weiß jemand, wohin sie gezogen sind. Der Zug fährt ziemlich schnell.«
     
    W o sind seine Sachen?« Younger saß mit Colette in der Stadtbahn nach Hütteldorf. Wien hatte offenbar einen langen, kalten Winter hinter sich. Obwohl schon fast Frühling war, blühte noch kein einziger Baum.
    »Sachen?« Colette schaute ihn fragend an.
    »Die Habseligkeiten Ihres Soldaten. Die Sie seiner Familie zurückgeben wollten. Haben Sie sie etwa vergessen?«
    »Natürlich nicht. Ich hab Ihnen doch gesagt, dass die
Grubers wahrscheinlich nicht mehr dort wohnen. Warum haben Sie mir verheimlicht, dass Sie verheiratet waren?«
    »Das habe ich nicht.«
    »Sie haben mir nichts davon erzählt.«
    »Sie haben nicht danach gefragt.«
    »Doch, das habe ich«, widersprach Colette. »Sie haben gesagt, dass Sie nicht an die Ehe glauben.«
    »Und dazu stehe ich.«
    Sie schaute zum Fenster hinaus. »Sie erzählen mir nichts. Das ist wie lügen. Es ist lügen.«
    »Nicht zu sprechen bedeutet nicht gleich lügen.«
    »Doch, wenn man damit jemanden täuscht. Mir wäre es lieber, Sie würden lügen. Dann wüsste ich wenigstens, dass Ihnen wichtig ist, was ich über Sie denke.«
    Schweigend saß er da, während der Zug am Ufer der braunen, reglosen Donau entlangratterte. Younger betrachtete ihr Profil und fragte sich, weshalb er in ihr etwas Verletzliches wahrnahm, obwohl ihrem Gesicht und ihrer Figur nichts davon anzumerken war. »Es ist mir wichtig.«
    »Das glaube ich nicht.«
    Younger hatte den festen Grundsatz, nicht mehr als nötig über sich, seine Vergangenheit und seine Gedanken zu verraten – zumindest nicht gegenüber Frauen. Sie baten ihn immer darum, aber er tat es nie. Doch anscheinend war er dabei, seine Grundsätze aufzugeben. »Es war im November 1909. Sie hieß Nora. Möchten Sie es hören?«
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, es zu erzählen.«
    »Sie war die schönste Frau, die mir je begegnet ist — bis zu diesem Zeitpunkt. Völlig anders als Sie. Blond. So zart, dass man Angst haben musste, sie mit den Händen zu zerbrechen.
Und selbstzerstörerisch. Ich glaube, das hat mir gefallen. Wir hatten ein schönes halbes Jahr. Ein halbes Jahr, das ist gar nicht so schlecht. Aber schon damals gab es Anzeichen von Gefahr. Ich weiß noch, wie wir ihr Brautkleid ausgesucht haben. Sie hat sich eingebildet, dass sich das Mannequin, das uns Modelle vorgeführt hat — ein sechzehnjähriges Mädchen –, über sie lustig macht. Dummerweise habe ich Nora gefragt, was das Mädchen getan hatte. Daraufhin hat sie mir vorgeworfen, dass ich das Mädchen verteidigen will. Der nächste Fehler war, dass ich gelacht habe. Der Streit hat zwei Tage gedauert. Aber richtig ernst wurde es erst nach der Hochzeit, als sie Notizbücher von mir entdeckt hat. Psychoanalytische Fallaufzeichnungen. Meine Patientinnen haben sich häufig benommen, als wären sie in mich verliebt, und genau das soll bei

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