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Todesinstinkt

Todesinstinkt

Titel: Todesinstinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Frauen anziehend finde. Und so war es auch, wenn sie attraktiv waren. Zuerst habe ich es also nicht abgestritten, aber um sie zu beruhigen, habe ich am Ende behauptet, dass sie sich alles nur einbildet – dass alles nur in ihrem Kopf stattfindet. Sie wusste, dass ich lüge, aber die Lüge war ihr anscheinend lieber als die Wahrheit.
    Eines Tages hat mich die junge Frau eines reichen alten Patienten um einen Hausbesuch gebeten. Ihr Mann lag im Sterben, und ich war sehr lange dort. Es war sehr traurig. Als ich abends heimkam, habe ich es Nora verschwiegen. Es gab an sich nichts zu verschweigen, aber die Frau — eine ehemalige Schauspielerin — war eine berühmte Schönheit. Wenn ich Nora davon erzählt hätte, hätte mir eine endlose Nacht sinnloser Beschuldigungen bevorgestanden. Alles war so langweilig und monoton geworden. Also habe ich ihr etwas vorgeschwindelt, und sie hat mir geglaubt. In diesem Augenblick war mir klar, dass ich sie nicht mehr liebe.

    Ungefähr zwei Monate später hat mich dieselbe Frau erneut angerufen. Ihr Mann war tot, und sie wollte ihre Karriere am Broadway wiederaufnehmen. Sie hat über Schmerzen im unteren Rücken von den Proben geklagt. Sie wollte, dass ich zu ihr komme und sie untersuche. Das habe ich getan. Danach war ich mehrmals pro Woche zu einem Hausbesuch bei ihr. Nora hat nichts davon erfahren.
    Eines Tages wurde mir in der Wohnung eine Nachricht der Schauspielerin zugestellt, die mich um mein sofortiges Erscheinen bat. Natürlich hat Nora die Nachricht gesehen und sofort begriffen, dass ich sie die ganze Zeit angelogen hatte. Sie hat mir vorgeworfen, eine Affäre zu haben, und ich habe es zugegeben. Es kam zu einer skandalträchtigen Scheidung, da wir kaum mehr als ein Jahr verheiratet waren. Das Komischste daran war, dass ich gar keine Affäre gehabt hatte. Zumindest wäre es komisch gewesen, wenn Nora nicht kurz darauf gestorben wäre. Die Nachricht habe ich in Boston per Telegramm erhalten. Sie war von einem Bahnsteig vor den Zug gestürzt. Angeblich ein Unfall, aber ich bezweifle es. Mit Sicherheit wurde jedenfalls festgestellt, dass sie schwanger war. Freud meint, dass ich mich verantwortlich für ihren Tod fühle.«
    »Und? Ist es so?«, fragte Colette.
    »Es ist noch schlimmer. Ich war glücklich über ihren Tod. Bin es noch immer bis auf den heutigen Tag.«
     
    D er Bahnhof in Hütteldorf war die Endstation. Im Zentrum eines ansonsten ländlichen und reich bewaldeten Bezirks standen einige wenige niedrige Wohnhäuser. Eines davon war die Adresse Grubers, doch niemand mit diesem Namen lebte dort. Younger konnte nichts Erhellendes herausfinden,
bis er auf eine matronenhafte Hausmeisterin zutrat, die den Hof fegte.
    »Hans Gruber?« Die Frau schaute auf. »Der allen Mädchen den Kopf verdreht hat? Ein großer junger Mann mit blondem Haar und strahlend blauen Augen?«
    Younger übersetzte ohne Kommentar. Colette zeigte keine Reaktion, aber genau das schien die Beschreibung zu bestätigen. Er glaubte einen Hauch von Rot auf ihren Wangen zu bemerken.
    »Natürlich erinnere ich mich an ihn«, fuhr die Hausmeisterin fort. »Was für ein fauler, überheblicher Pinkel. Er hatte eine Rente – sein Vater war gestorben, glaube ich –, also musste er nicht arbeiten. Keinen Finger hat der gerührt. Hat sich nur immer im Wald rumgetrieben und überall auf seiner Fiedel gespielt. Und launisch ist er gewesen. Wenn er nüchtern war, hat er uns herumkommandiert, und wenn er betrunken war, hat er uns beschimpft.«
    Nachdem er alles übersetzt hatte, konnte sich Younger eine Anmerkung doch nicht verkneifen. »Anscheinend geben Sie sich große Mühe, jemanden zu finden, der diese Mühe nicht unbedingt verdient.«
    Colette schüttelte nur wortlos den Kopf.
    Younger erklärte der Hausmeisterin ihr Anliegen und fragte, ob von den Grubers noch jemand in der Gegend wohnte.
    »Dann ist er also tot«, erwiderte sie. »Na, nicht schade drum. Nein, seine Verwandten kenne ich nicht. Er stammt aus einer Stadt im Westen, kurz vor Bayern. Woher genau, weiß ich nicht. Fragen Sie im Drei Husaren beim Stephansdom. Dort hat er immer gegessen. Vielleicht kann Ihnen dort jemand weiterhelfen.«

    A ls sie wieder in der Stadtmitte ankamen, war bereits die Sonne untergegangen. Im Taxi fragte Younger den Fahrer nach einem Gasthaus mit dem Namen Drei Husaren. Er erhielt die Auskunft, dass das Lokal geschlossen hatte und erst am Donnerstag wieder öffnen würde.
    »Das macht nichts«, meinte Colette. »Ich will

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