Todeskampf - Robotham, M: Todeskampf - The Night Ferry
geben.
Polizisten haben die Fähre abgesperrt. Niemand darf an oder von Bord gehen. Die Passagiere werden im Terminal überprüft und befragt. Im Licht der Scheinwerfer auf dem Dock sieht das Ganze aus wie eine Filmkulisse kurz vor dem Dreh.
Yanus sieht zu, als würde er auf sein Stichwort warten. Bei dem Gedanken, dass ich ihn getötet habe, setzt mein Herz einen Schlag lang aus. Ja, er hat es verdient – aber ich habe das getan . Ich habe ihm das Leben genommen. Sein Blut klebt zusammen mit dem von Samira noch immer an meinen Kleidern.
Sanitäter hieven sie auf eine Trage. Das Handtuch klemmt nach wie vor zwischen ihren Schenkeln. Einer der Sanitäter
schiebt mich sanft beiseite, als ich näher trete. Sie kann jetzt nicht mit mir sprechen. Ich will ihr sagen, dass es mir leidtut – dass es meine Schuld war. Ich hätte sie nie allein lassen dürfen. Ich hätte bei ihnen bleiben müssen. Vielleicht hätte ich Pearl aufhalten können.
Irgendwann später sieht Forbes nach mir.
»Lassen Sie uns ein Stück laufen«, schlägt er vor.
Instinktiv fasse ich seinen Arm, wie aus Angst, dass meine Beine ihren Dienst versagen könnten.
»Wie spät ist es?«, frage ich.
»Nach meiner Uhr viertel nach fünf.«
»Sie geht nach.«
»Woher wollen Sie wissen, dass Ihre nicht vorgeht?«
»Weil die Fährgesellschaft diese großen beschissenen Uhren an der Wand hat, die sagen, dass Ihre Uhr in vier verschiedenen Zeitzonen falsch geht.«
Wir gehen die Rampe hinunter und am Dock entlang von der Fähre weg. Vor dem heller werdenden Himmel zeichnen sich die Umrisse von Raffinerietanks und Schiffscontainern ab. Der Wind bläst Rauch und dahinjagende Wolken über unsere Köpfe.
»Sie glauben nicht, dass er noch auf der Fähre ist, oder?«, fragt Forbes.
»Nein.«
Nach einer weiteren längeren Pause sagt er: »An der Steuerbordreling fehlt ein Rettungsring. Er hätte sich unbemerkt abseilen können.«
»Irgendjemand hätte ihn gesehen.«
»Wir waren abgelenkt.«
»Trotzdem.«
Ich habe den Geruch der Zwillinge noch in der Nase und kann ihre glatte Haut spüren. Wir denken beide das Gleiche. Was ist mit ihnen passiert?
»Sie hätten nie an Bord dieser Fähre gehen dürfen«, sagt er.
»Ich konnte mir nicht sicher sein, dass sie an Bord war.«
Er zieht eine Schachtel aus der Tasche und zählt die verbliebenen Zigaretten.
»Sie sollten nicht rauchen, wenn Sie erkältet sind.«
»Ich sollte überhaupt nicht rauchen. Meine Frau glaubt, dass Männer und Frauen unter exakt den gleichen Krankheiten mit
identischen Symptomen leiden können, und der Mann fühlt sich immer kränker.«
»Das liegt daran, dass Männer Hypochonder sind.«
»Ich habe eine andere Theorie. Ich glaube, dass ein Teil des weiblichen Gehirns, egal wie krank eine Frau ist, immer an Schuhe denkt.«
»Ich wette, die haben Sie ihr nicht erzählt.«
»Ich bin krank, nicht blöd.«
Er wirkt irgendwie verändert. Statt Sarkasmus und Zynismus spüre ich Nervosität und wachsende Entschlossenheit.
»Wer steckt dahinter?«
»Samira hat einen Engländer erwähnt, der sich ›Brother‹ nannte. Sie hat gesagt, er hätte ein Kreuz auf den Hals tätowiert. Es gibt da jemanden, den Sie überprüfen sollten. Er heißt Paul Donavon. Er ist mit Cate Beaumont zur Schule gegangen – und mit mir. Er war dabei an dem Abend, als sie überfahren wurde.«
»Und Sie glauben, er steckt dahinter?«
»Samira hat ›Brother‹ in einem Waisenhaus in Kabul kennen gelernt. Donavon war mit der britischen Armee in Afghanistan. Die Schleuser hatten es speziell auf Waisen abgesehen, weil das weniger Komplikationen gab. Keine Familien, die nach ihnen suchen oder Fragen stellen konnten. Manche wurden als Sexarbeiterinnen nach Europa geschmuggelt. Anderen wurde die Alternative angeboten, Leihmutter zu werden.«
»Die schwangeren Illegalen, nach denen Sie gefragt haben, behaupteten beide, Waisen zu sein.«
Forbes hat seine Zigarette immer noch nicht angezündet. Sie
klemmt zwischen seinen Lippen und wippt auf und ab, wenn er spricht. Er sieht sich nach der Fähre um.
»Wegen neulich abends.«
»Welcher Abend?«
»Als wir zusammen gegessen haben.«
»Ja?«
»Habe ich mich schicklich verhalten? Wohl erzogen und alles? «
»Sie waren ein perfekter Gentleman.«
»Das ist gut«, murmelt er. »Ich meine, das dachte ich mir. Sie haben etwas genommen, das Ihnen nicht gehört.«
»Ich würde es lieber als Informationsaustausch betrachten. «
Er nickt. »Sie sollten Ihre Berufswahl
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