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Todeskampf - Robotham, M: Todeskampf - The Night Ferry

Todeskampf - Robotham, M: Todeskampf - The Night Ferry

Titel: Todeskampf - Robotham, M: Todeskampf - The Night Ferry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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prüfen würde?
    Ein solcher Glaube erscheint einem wirklich mittelalterlich,
trotzdem ist sie lernbegierig. Sie findet Dinge faszinierend, die für mich selbstverständlich sind. Zentralheizung, Toilettenspülungen und meine Waschmaschine mit Trockner. In Kabul mussten sie das Wasser bis hinauf in ihre Wohnung tragen, und fast täglich fiel der Strom aus. In London brennen überall die ganze Nacht hindurch Straßenlampen. Samira hat mich gefragt, ob wir Briten vielleicht Angst vor der Dunkelheit hätten, und konnte nicht verstehen, warum ich gelacht habe.
    Gestern war ich mit ihr am Canary Wharf einkaufen. »So viel Glas gibt es in ganz Afghanistan nicht«, sagte sie und zeigte auf die Bürotürme, die in der Morgensonne glitzerten. Ich sah, wie sie die Büroangestellten musterte, die nach Kaffee und Diät-Muffins Schlange standen: Frauen in engen Röcken, Tops und Jacketts, die ihr kurzes Haar schüttelten und in ihre Handys zwitscherten.
    Die Kleider-Boutiquen wirkten einschüchternd auf sie. Die Verkäuferinnen waren gekleidet wie Trauernde, und die Läden hatten die Atmosphäre von Bestattungsinstituten. Ich erklärte Samira, dass ich wüsste, wo man bessere Kleider findet. Wir fuhren zur Commercial Road, wo die Kleider sich auf Ständern drängen und aus Tonnen quellen. Sie entschied sich für zwei Röcke, eine langärmelige Bluse und eine Strickjacke, die zusammen nicht einmal sechzig Pfund kosteten.
    Sie betrachtete die Zwanzig-Pfund-Scheine.
    »Ist das eure Königin?«
    »Ja.«
    »Sie sieht aus, als hätte man sie in Gips getaucht.«
    Ich lachte. »Schon irgendwie.«
    Überall glitzerte Weihnachtsschmuck. Sogar die Bagel-Bäckerei und der Halal-Metzger hatten bunte Lichter und Kunstschnee im Fenster. Samira blieb stehen und starrte auf ein Hummerbecken im Fenster eines Restaurants.
    »Ich werde nie im Meer schwimmen.«
    »Warum nicht?«

    »Weil ich nicht einem von denen begegnen will.«
    Ich glaube, sie stellte sich vor, dass die Hummer ebenso dicht übereinander krabbelten wie in dem Becken.
    »Das alles muss dir doch vorkommen wie Science-Fiction?«
    »Science-Fiction?«
    »Das bedeutet wie eine Fantasie. Unwirklich.«
    »Ja, unwirklich.«
    London mit Samiras Augen zu sehen war für mich ein anderer Blick auf die Stadt. Selbst die alltäglichste Szene erwachte zu neuem Leben. Auf einem U-Bahnsteig packte sie erschrocken meine Hand, als der Zug sich durch den Tunnel näherte, weil er, wie sie sagte, klang »wie ein Ungeheuer in einer Höhle«.
    Der hierzulande so beiläufig zur Schau gestellte Wohlstand ist peinlich. Im East End gibt es mehr Tierärzte als Ärzte in Kabul. Und die Tiere werden besser ernährt als die Waisenkinder.
    Die Brustpumpe ist verstummt. Samira hat Haris Fernseher eingeschaltet und zappt durch die Programme. Ich schlüpfe aus dem Bett, schleiche durch den Flur und klopfe an ihre Tür. Sie trägt meinen alten Bademantel mit der gestickten Eule auf der Tasche.
    »Kannst du nicht schlafen?«
    »Nein.«
    »Ich mache dir einen Schlummertrunk.«
    Ihre Augen weiten sich.
    Sie folgt mir die Treppe hinunter durch den Flur in die Küche. Ich schließe die Tür, nehme eine Flasche Milch aus dem Kühlschrank, gieße zwei Becher voll, stelle sie in die Mikrowelle und nehme sie zwei Minuten später dampfend wieder heraus. Dann breche ich große Brocken dunkler Schokolade ab, gebe sie in die Flüssigkeit und beobachte, wie sie schmelzen. Samira fängt die schmelzenden Splitter mit einem Löffel auf und leckt ihn ab.
    »Erzähl mir von deiner Familie.«

    »Die meisten sind tot.«
    Sie leckt an dem Löffel. Ich breche weitere Schokoladenstücke ab und gebe sie in ihren Becher.
    »Hattest du eine große Familie?«
    »Nicht so groß. In Afghanistan übertreiben die Leute gern, was ihre Familie alles geleistet hat. Meine ist da keine Ausnahme. Sie behaupten, einer meiner Vorfahren wäre mit Marco Polo nach China gereist, aber das glaube ich nicht. Ich glaube, er war ein Schmuggler, der das Schwarzpulver von Indien nach Afghanistan gebracht hat. Der König hörte von dieser Zauberei und verlangte eine Demonstration. Mein Vater hat erzählt, dass tausend Raketen am Himmel hin und her flogen. Schlösser aus Bambus loderten in leuchtenden Flammen. Feuerwerk wurde unser Familiengeschäft. Die Formeln wurden von Vater zu Sohn weitergereicht – bis zu mir.«
    Ich erinnere mich an das Foto bei Hasans Sachen, Arbeiter, die vor eine Fabrik aufgereiht waren, die meisten mit fehlenden Gliedmaßen, Augen oder in

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