Todeskampf - Robotham, M: Todeskampf - The Night Ferry
nicht.«
Im Geschirrständer stehen zwei Tassen, und in der Spüle erstarren zwei benutzte Teebeutel neben einer Farbrolle und mehreren Pinseln. Die Decken sollen altweiß werden. Ich habe ihm geholfen, die Farbe auszusuchen. Die Wände sind in einem fünfzig Prozent abgetönten hellen Grün, während Fußleisten und Fensterrahmen im Vollton gestrichen sind.
Ich folge Dave ins Wohnzimmer. Seine wenigen Möbel sind in eine Ecke geschoben und mit Folie abgedeckt.
»Wie geht es Samira?«, fragt er.
Die Frage kommt unerwartet. Dave hat sie nie kennen gelernt, aber er wird die Fernsehberichte gesehen und die Zeitung gelesen haben.
»Ich mache mir ihretwegen Sorgen. Und ich mache mir Sorgen um die Zwillinge.«
Er tunkt die Rolle wieder in die Farbe.
»Hilfst du mir?«
»Es ist nicht unser Fall.«
»Es könnte sein, dass ich sie gefunden habe. Bitte hilf mir.«
Er steigt auf die Leiter und malt mit der Rolle lange Farbstreifen an die Decke.
»Was macht es schon aus, Dave? Du hast gekündigt und gehst weg. Meine Karriere ist beendet. Es spielt keine Rolle, wem wir auf die Füße treten oder wen wir gegen uns aufbringen. Irgendwas an diesem Fall stinkt. Die Leute schleichen auf Zehenspitzen darum herum und fassen die Verdächtigen, wenn überhaupt, nur mit Samthandschuhen an, während die wahren Schuldigen ihre Akten schreddern und ihre Spuren verwischen.«
Er streicht weiter die Decke, aber ich weiß, dass er mir zuhört.
»Du führst dich auf, als ob die Kinder dir gehören.«
Es kostet mich große Beherrschung, nicht aus der Haut zu fahren. Er blickt von seiner Leiter auf mich herab. Warum zweifeln dauernd alle an meinen Motiven? Eduardo de Souza, Barnaby und jetzt Dave. Bin ich vielleicht diejenige, die die Wahrheit nicht sieht? Nein, sie irren. Ich will die Zwillinge nicht für mich.
»Ich tue das, weil eine Freundin – meine beste Freundin – mir das anvertraut hat, was sie am meisten liebt, das Kostbarste, was sie hatte. Ich konnte Cate nicht retten, und ich konnte Zala nicht retten, aber ich kann die Zwillinge retten.«
Er sagt lange nichts, und damit fühlt sich nur einer von uns beiden wohl. Immer schon machten seine Abneigungen mehr als seine Vorlieben seine Persönlichkeit aus. Er kann zum Beispiel keine Katzen leiden und keine Heuchler. Außerdem hasst er Reality-Soaps, walisische Rugby-Fans und tätowierte Frauen, die ihre Kinder in Supermärkten anschreien. Mit so einem Mann
kann ich leben. Sein Schweigen ist eine andere Geschichte. Er scheint sich darin wohl zu fühlen, aber ich will wissen, was er denkt. Ist er wütend, dass ich in Amsterdam nicht mit ihm nach Hause geflogen bin? Ist er empört wegen unseres Abschieds dort? Wir haben beide unsere Fragen. Ich will wissen, wer gestern Abend frisch geduscht seine Gegensprechanlage bedient hat.
Ich gucke zum Schlafzimmer. Die Tür steht offen. An der Wand steht ein Koffer, und an der Rückseite der offenen Tür hängt eine Bluse. Ich merke nicht, dass ich darauf starre, und bekomme auch nicht mit, dass David die Leiter hinuntersteigt und mit der Farbrolle in die Küche geht. Er wickelt sie vorsichtig in Plastikfolie und lässt sie im Waschbecken liegen. Er zieht sein Hemd aus und wirft es in die Ecke.
»Gib mir fünf Minuten. Ich muss duschen.« Er streicht sich über sein unrasiertes Kinn. »Oder besser zehn.«
Wir haben zwei Adressen: die eine direkt auf der anderen Seite des Flusses in Barnes, die andere in Finsbury Park, North London. In Barnes wohnt ein Paar, dessen Name auch auf einer Warteliste des New Life Adoption Centre auftaucht. Die Adresse in Finsbury Park taucht in den Unterlagen nicht auf.
Am Sonntag vor einer Woche – um kurz nach zehn – wurden beide Adressen von einem öffentlichen Telefon in der Garderobe des Twin Bridges Country Club in Surrey angerufen. Shawcroft war dort, als die beiden Telefonate geführt wurden.
Es ist bloß eine Ahnung, zu viele Dinge, die gleichzeitig passiert sind, um noch Zufall zu sein. Es ist zumindest einen Blick wert.
Dave trägt eine helle Cordhose, ein Hemd und eine Lederjacke. »Und was hast du vor?«
»Ich will sie überprüfen.«
»Was ist mit Forbes?«
»Der würde das sowieso für zu weit hergeholt halten. Möglicherweise
stößt er am Ende selber drauf, indem er systematisch und mechanisch seine Kästchen abhakt – aber was ist, wenn wir dafür keine Zeit haben?«
Ich stelle mir das kleine Mädchen vor, das unter Atemnot leidet, und es schnürt mir die Kehle zu. Wir hätten
Weitere Kostenlose Bücher