Todeskampf - Robotham, M: Todeskampf - The Night Ferry
Polizeiautos umringt ist.
Bogenlampen in dem Zelt lassen die Wände halb durchsichtig erscheinen und enthüllen die Umrisse eines LKW. In dem Zelt bewegen sich Menschen wie Schattenrisse in einem Scherenschnitttheater.
Forbes ist ausgestiegen und geht über den Asphalt. Der abkühlende Motor tickt wie eine Uhr.
In diesem Moment wird eine Seitenklappe des Zeltes aufgeschlagen, und ein Beamter der Spurensicherung in einem weißen Overall tritt heraus und schält sich die weißen Plastikhandschuhe ab wie eine zweite Haut.
Ich erkenne ihn. Es ist Gerard Noonan, ein Pathologe, der wegen seiner blassen Haut und seiner schneeweißen Haare den Spitznamen »Albino« trägt. Mit seinem weißen Overall, der weißen Kapuze und den weißen Handschuhen sieht er aus, als hätte er sich für eine Kostümparty als Spermazelle verkleidet.
Er spricht einige Minuten mit Forbes, aber ich bin zu weit weg, um zu verstehen, worum es geht.
Forbes dreht sich zu mir um und winkt mich heran. Seine Miene ist hart wie der Keil einer Axt.
Der Boden im Zelt ist von Plastikplanen bedeckt, die mit silbernen Kisten beschwert sind, in denen sich Kameras und weitere Geräte der Spurensicherung befinden. In der Mitte des Raumes parkt ein LKW, dessen Hecktüren offen stehen. Auf
der Rampe sieht man Holzpaletten mit Apfelsinenkisten. Einige sind zur Seite geschoben worden, um einen schmalen Pfad in der Mitte freizuräumen, sodass gerade genug Platz für eine Person ist, sich zum Ende der Ladefläche durchzuquetschen.
Das Blitzlicht einer Kamera fällt auf einen Hohlraum zwischen den Paletten. Zunächst glaube ich, dass es sich bei den Gestalten darin um Schaufensterpuppen oder Tonfiguren handelt, aber dann trifft mich die Wahrheit wie ein Schlag. Unter einem geschlossenen Luftschlitz liegen mehrere Leichen übereinander, fünf nach meiner Zählung, drei Männer, eine Frau und ein Kind. Ihre Münder stehen offen. Atemlos. Leblos.
Sie scheinen Osteuropäer in billigen, zusammengewürfelten Kleidern zu sein. Wie von einem Draht gehalten reckt sich ein einzelner Arm in die Höhe. Die Frau hat das Haar nach hinten gebunden. Eine Schildpattspange hat sich gelöst und baumelt an einer Strähne über ihre Wange. Das Kind in ihren Armen trägt ein Mickey-Mouse-Sweatshirt und drückt eine Puppe an seinen Körper.
Wieder flackert ein Blitzlicht auf. Ich sehe die erstarrten Gesichter, eingefroren in dem Moment, in dem ihnen der Sauerstoff ausgegangen ist und ihre Träume sich zu Staub auf ihren trockenen Zungen verwandelt haben. Es ist ein Bild, das mich verfolgen wird, ein Anblick, der alles verändert. Und auch wenn mir die Welt, aus der sie kommen, so unmöglich fremd und weit weg erscheint, dass ich sie mir nicht vorstellen kann, kommt mir ihr Tod auf irgendeine Weise unerträglich nahe.
»Sie sind in den vergangenen zwölf Stunden gestorben«, sagt Noonan.
Ich überlege instinktiv, was ich zu der Zeit gemacht habe. Ich war unterwegs nach West Sussex und habe in dem Adoptionszentrum mit Julian Shawcroft gesprochen.
Noonan hält eine Plastiktüte mit mehreren abgebrochenen blutigen Fingernägeln in der Hand. Mir dreht sich der Magen um.
»Wenn Sie sich übergeben wollen, Detective Constable, dann verdammt noch mal nicht an meinem Tatort«, sagt er.
»Ja, Sir.«
Forbes sieht Noonan an. »Erzählen Sie ihr, wie sie gestorben sind.«
»Sie sind erstickt«, erwidert er müde.
»Erklären Sie uns das genauer.«
Darum bittet er meinetwegen. Forbes will, dass ich es höre und den Geruch von Apfelsinen und Fäkalien rieche. Noonan tut ihm den Gefallen.
»Es beginnt mit wachsender Panik, während man um jeden Atemzug ringt, gierig Luft einsaugt und immer mehr will. Das nächste Stadium ist große Ruhe. Resignation. Und dann Bewusstlosigkeit. Die Zuckungen und die Inkontinenz sind unwillkürlich, der Todeskampf. Keiner weiß, was zuerst kommt – Sauerstoffmangel oder Kohlendioxidvergiftung.«
Forbes fasst meinen Arm und führt mich von dem Laster weg. Man hat eine provisorische Leichenhalle für die Opfer errichtet. Eines liegt bereits auf einer Bahre, das Gesicht nach oben und von einem weißen Laken zugedeckt. Forbes streicht mit den Fingern über den Stoff.
»Irgendjemand in diesem LKW hatte ein Handy«, erklärt er. »Als sie merkten, dass sie erstickten, versuchten sie, irgendjemanden anzurufen und wählten den Notruf. Die Zentrale dachte, dass es sich um einen Scherz handelte, weil der Anrufer nicht angeben konnte, von wo aus er anrief.«
Ich
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