Todeskette
»…wo ich Sie dann gefoltert hätte.
Tweed hätte Ihre Schreie am Telefon anhören müssen; auf diese Weise wollten wir ihn zwingen, zu kommen und Sie zu befreien. Bitte gehen Sie jetzt. Aber nehmen Sie nicht die Vordertür. Der Barkeeper zeigt Ihnen den Hinterausgang.«
»Eine Frage hätte ich noch«, sagte Paula ungerührt. »Wie heißt der Armenier?«
»Welcher Armenier? Ich kenne keinen Armenier.«
Während Max sich umdrehte und dem Barkeeper winkte, steckte Paula ihre Beretta zurück in das Halfter im Stiefelschaft. Als der Barkeeper an ihren Tisch kam, sagte Max mit gedämpfter Stimme: »Der Ehemann dieser reizenden Dame ist auf dem Weg hierher. Wären Sie bitte so freundlich und würden ihr den Hinterausgang zeigen, damit ihr eine peinliche Situation erspart bleibt?«
Paula stand auf und legte Max eine Hand auf die Schulter. »Vielleicht wäre es besser, wenn Sie so bald wie möglich von hier verschwänden. Fangen Sie ein neues Leben an.«
Während der Barkeeper sie in den hinteren Teil des Raumes führte, fragte sich Paula, ob das nicht vielleicht Teil einer noch viel hinterhältigeren Falle war.
»Wo führt die hin?«, fragte sie, als er sie zu einer in die Wandvertäfelung eingelassenen Tür brachte.
»Ins Freie. Auf eine Straße hinter dem Hotel.«
»Könnten Sie bitte nachsehen, ob draußen jemand wartet?«
Der Mann öffnete die Tür und blickte hinaus. »Da ist niemand. Wenn Sie nach links gehen und die Straße entlang, kommen Sie zu einer schmalen Gasse, die zurück auf die Tiverton Street führt, aber weit genug vom Hotel entfernt.«
»Vielen Dank.«
»Viel Glück.«
Der Barkeeper lächelte sie an und schloss die Tür. Paula war nicht die erste Frau, die er durch die Hintertür aus dem Hotel gelassen hatte.
Paula zog ihre Browning, verbarg sie hinter ihrer Umhängetasche und eilte die schmale, kopfsteingepflasterte Straße entlang. Gott sei Dank habe ich mir Stiefel mit flachen Absätzen angezogen, dachte sie. So wie der Barkeeper ihr gesagt hatte, gelangte sie in die Tiverton Street zurück, nicht weit von dort, wo sie ihren Porsche geparkt hatte.
Sie ging an dem Wagen vorbei, den Blick auf die Straße gerichtet. Der Ford, der vorhin noch vor dem Hotel gestanden hatte, war verschwunden.
Zufrieden ging sie zurück zu ihrem Porsche, als sie auf einmal ein ihr vertrautes Geräusch vernahm. Es war eine Mischung aus Summen und Pfeifen, das nur von einem stammen konnte: von Marler. Einen Augenblick später löste er sich aus den Schatten einer Toreinfahrt und kam grinsend auf sie zu.
»Marler! Was machen Sie denn hier?«, fragte sie.
»Ich bin gerade auf Erkundungstour durch dieses Viertel«, erwiderte Marler.
»Und Sie?«
»Ich muss jetzt noch rasch für Tweed ein paar Lebensmittel einkaufen. Ich fahre nachher noch zu ihm.«
»Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich mitkomme?«
»Nein, überhaupt nicht. Steigen Sie ein.«
Als Max das Hotel verließ, hatte er ein Problem. Taz, der Marokkaner, der hinter dem Steuer des Ford auf ihn gewartet hatte, musste Paula Grey, von der man ihm ein Foto gezeigt hatte, mit Sicherheit erkannt haben, als sie vorhin ins Hotel gekommen war. Wenn er das Doubenkian erzählte, brachte er Max in Lebensgefahr. Taz war ein Neuzugang in der kleinen Armee von Halunken, die sich Doubenkian in mehreren europäischen Ländern und jetzt auch in England aufgebaut hatte. Weil er nicht gerade der Hellste war, konnte man ihn nur für einfache Aufgaben einsetzen.
Als Max die Beifahrertür des Wagens öffnete, hatte er plötzlich die Lösung für sein Problem. Taz hockte zusammengesunken hinter dem Steuer und sog von einem Blatt Papier ein weißes Pulver in die Nase. Das nahm ihn so sehr in Anspruch, dass er gar nicht wahrnahm, wie Max sich neben ihn setzte. Max benetzte einen Finger mit Spucke, nahm damit ein paar Krümel des weißen Pulvers von dem Blatt Papier auf und probierte davon. Es war Kokain.
»Ich brauche das… um mir die Zeit zu vertreiben«, erklärte Taz mit einem betretenen Grinsen. Seine Stimme klang ein wenig belegt.
»Lass mich ans Steuer«, sagte Max bestimmt und nahm ihm das Blatt Papier aus der Hand. Ohne Widerrede stieg Taz aus und ging um die Kühlerhaube des Wagens herum auf die andere Seite, während Max auf den Fahrersitz rutschte. Angewidert sah Max zu, wie der Marokkaner sich heftig schwankend immer wieder an dem Wagen festhalten musste, um nicht umzufallen. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis er sich mit einem lauten Seufzer neben Max auf
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