Todeskette
von unzähligen Spalten durchzogene Felswand hinauf. Dabei hielt er ständig Ausschau nach Felsvorsprüngen oder Löchern in der Wand, die fest genug aussahen, um ihm einen halbwegs sicheren Halt zu geben.
Weil er sich nicht gestattete, nach unten zu blicken, konnte Newman auch nicht wissen, ob der Killer ihm folgte. Aber die Gefahr, aus der Felswand abzustürzen und sich dabei sämtliche Knochen zu brechen, war fast noch größer als die, eine Kugel verpasst zu bekommen. Ein falscher Tritt, ein falscher Griff, und es war aus mit ihm.
»Bob!«, hörte er auf einmal Paulas weit entfernt klingende Stimme rufen. »Sie haben es gleich geschafft!« Offenbar war Paula, als sie die Schüsse gehört hatte, zurückgekommen und stand jetzt unten am Fuß der Felswand.
»Wo ist er?«, rief Newman, ohne nach unten zu blicken.
»Er nimmt den anderen Weg!«, antwortete Paula. »Aber Sie sind schneller oben, wenn Sie so weiterklettern!«
Die Nachricht erfüllte Newman mit frischer Energie, und er kletterte noch beherzter als zuvor, obwohl er nach wie vor jeden Griff und jeden Tritt doppelt prüfte, bevor er sich wieder ein Stück weiter nach oben zog. Wenn er so weitermachte, würde er den Gipfel bald erreicht haben.
Und dann hatte er es geschafft. Mit einer letzten Kraftanstrengung zog er sich hinauf auf ein flaches Gipfelplateau, das einen Durchmesser von knapp zwanzig Metern hatte. Newman war von dem raschen Aufstieg so erschöpft, dass er sich am liebsten hingelegt und ein paar Minuten lang durchgeschnauft hätte, aber er musste unbedingt sehen, wo der Killer war. Wenn der von der anderen Seite ebenfalls den Gipfel erreichte und beim Hinaufklettern seine Luger nicht verloren hatte, war Newman schon so gut wie tot.
Rasch sah er sich nach einem Felsbrocken um, den er auf den Angreifer werfen könnte, aber auf dem Gipfel lagen keine losen Felsbrocken herum, nur kleine Steine, die höchstens so groß wie Murmeln waren. Newman klaubte so viele von ihnen auf, wie er konnte, und trat an die andere Seite des Gipfelplateaus, von wo jetzt ein lautes Keuchen zu hören war. Dann sah Newman, wie am Rand des Plateaus eine Hand erschien, der gleich darauf eine weitere Hand folgte. Diese Hand hielt die Pistole. Offenbar hatte der Killer noch keinen sicheren Stand, denn die Waffe bewegte sich ziellos hin und her. Als schließlich zwischen den Händen das Gesicht des Mannes erschien, das Newman sofort als das von Paulas Zeichnung erkannte, schleuderte ihm Newman seine Handvoll kleiner Steine entgegen. Er hatte auf das Gesicht gezielt, und der Mann riss die rechte Hand nach oben, um seine Augen zu schützen. Dabei verlor er auch mit der linken Hand den Halt, und schon verschwanden erst die Hände und dann auch das zu einer Grimasse blanken Entsetzens verzerrte Gesicht aus Newmans Blickfeld. Er hörte ein lautes Poltern und trat an den Rand des Gipfelplateaus, wo er gerade noch sehen konnte, dass sein Gegner, sich mehrmals überschlagend, an der steilen Wand nach unten stürzte und schließlich inmitten eines Hagels losgebrochener Felsbrocken hart auf den Boden schlug, wo er mit seltsam verrenkten Gliedern liegen blieb und sich nicht mehr bewegte.
Als Paula den schweren Körper herabstürzen sah, rannte sie rasch ein paar Schritte zur Seite, um nicht von ihm erschlagen zu werden. Als er dann leblos am Boden lag, ging sie hinüber und beugte sich über ihn. Aus seinem Hinterkopf rann Blut, und seine Arme und Beine waren grotesk verdreht und sahen aus, als wären sie mehrfach gebrochen. Paula ging in die Hocke und fühlte ihm den Puls an der Halsschlagader. Der Mann lebte noch.
Als er ihre Berührung spürte, öffnete er ein Auge und blickte sie erstaunt an.
Er öffnete den Mund und versuchte, etwas zu sagen, brachte aber kein Wort heraus. Er schloss den Mund wieder, schluckte schwer und versuchte es noch einmal.
»Sie…« Seine Stimme war heiser und so leise, dass Paula sich tief zu ihm hinabbeugen musste, um zu verstehen, was er sagte. »Sie sind ein schöner… letzter… Anblick.«
»Sie dürfen nicht sprechen«, sagte Paula. »Ich hole gleich einen Krankenwagen.«
»Nein… ich… muss… Ihnen etwas… sagen. Calouste Doubenkian…«
»Was ist mit ihm?«, fragte Paula sanft.
»Sie finden… ihn… im Heather… Cottage… Fun… Fünfzehn Meilen von… Hengistbury Manor… Er… will… Sie alle… töten…«
Das Auge, das er geöffnet hatte, schloss sich wieder, und sein Kopf sank zur Seite. Paula fühlte abermals seinen
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