Todeskette
selbstbewusst klang.
»Womit kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte sie.
»Wir untersuchen den Mord an Mrs. Bella Main«, sagte Tweed. »Soviel ich weiß, sind Sie mit einem Mitglied ihrer Familie befreundet.«
»Kommen Sie doch erst einmal herein«, sagte Mrs. Carlyle und führte die beiden eine mit einem gelb-violett gestreiften Teppich belegte Treppe hinauf.
Der Teppich sah teuer, aber geschmacklos aus, fand Tweed. Sie kamen in ein großes Wohnzimmer im vorderen Teil des Hauses, dessen schwere Vorhänge halb zugezogen waren. Seine Einrichtung bestand hauptsächlich aus zwei großen Sofas mit zahlreichen Kissen, ebenfalls in Violett.
»Nehmen Sie doch bitte Platz«, sagte Mrs. Carlyle. »Darf ich Ihnen vielleicht einen Brandy anbieten? Mir ist jetzt nach einem zumute.«
Tweed und Paula lehnten ab und setzten sich auf eines der Sofas, während ihre Gastgeberin sich ein großes Glas Brandy eingoss. Dann ließ sie sich in die Kissen sinken und schlug lasziv die Beine übereinander.
»Dies ist eine offizielle Vernehmung«, sagte Tweed. Als Mrs. Carlyle sich daraufhin gerade hinsetzte, fuhr er fort: »Ich würde Sie gern über Ihre Beziehung zu Mr. Marshal Main befragen. Man hat mir gesagt, dass Sie von ihm schwanger waren und ein Kind auf die Welt gebracht haben. Stimmt das?«
»Sieh mal einer an, jetzt hat Marshal also doch geredet. Wenn er meint, dass das gut für ihn ist…«
»Beantworten Sie bitte meine Frage. Wir ermitteln hier in einem Mordfall.«
»Ja, ich habe ein Kind von ihm bekommen. Und ich kann Ihnen auch sagen, wie es dazu gekommen ist. Und dann rufe ich Lavinia an und erzähle auch ihr alles. Die wird aus allen Wolken fallen.«
»Wenn Sie das tun, werde ich dafür sorgen, dass Sie wegen Erpressung angeklagt werden.« Tweed wusste, dass er sich auf dünnem Eis bewegte und konnte nur hoffen, dass Crystal ihm die Wahrheit gesagt hatte. »Marshal Main hat Ihnen zwanzigtausend Pfund pro Monat bezahlt. Das ist fast eine Viertelmillion im Jahr und noch dazu steuerfrei. Der Himmel weiß, wie viel Ihnen Main im Lauf der Jahre in den Rachen geworfen hat.«
Bei seinen Worten machte Mrs. Carlyle, die ihn bisher ständig mit einem spöttischen Lächeln angesehen hatte, eine bemerkenswerte Veränderung durch. Ihr Gesicht wurde aschfahl, und ihre Hände zitterten so stark, dass sie etwas Brandy über ihrem Pullover verschüttete. Tweed war erleichtert. Die Frau schien tatsächlich Dreck am Stecken zu haben.
»Ich erzähle Ihnen alles«, sagte Mrs. Carlyle mit gebrochener Stimme. »Aber zuerst müssen Sie mir versprechen, dass ich nicht wegen Erpressung angeklagt werde.«
»Ich verspreche Ihnen überhaupt nichts«, erwiderte Tweed gnadenlos.
»Machen Sie Ihre Aussage, dann werden wir sehen.«
»Damals, vor vielen Jahren, haben die Ärzte Marshals inzwischen verstorbener Frau eröffnet, dass sie keine Kinder bekommen kann, und irgendein wildfremdes Kind zu adoptieren war den beiden zu unsicher. Als Marshal seiner Frau erzählte, dass er eine Affäre mit mir hatte und dass ich schwanger von ihm war, willigte sie ein, unser Kind als das ihre auszugeben. Mir war das recht, denn ich wollte es sowieso nicht haben. Also gingen Mrs. Main und ich in eine zwielichtige Klinik, die es heute nicht mehr gibt, und als ich das Kind bekam, wurde es gleich zu Mrs. Main gebracht. Marshal hat für viel Geld eine falsche Geburtsurkunde ausstellen lassen, und seine Frau hat das Kind vom ersten Augenblick an abgöttisch geliebt. Als sie mit dem Kind zurück nach Hengistbury kam, waren alle glücklich und zufrieden.
Viele Jahre später kam Mrs. Main dann bei einem Autounfall ums Leben. Ich muss sagen, dass ich erleichtert war, als man mir die Nachricht überbrachte.«
»Mir ist bewusst, was für eine mitfühlende Person Sie sind«, bemerkte Tweed sarkastisch. »Trotzdem ist mir nicht ganz klar, weshalb Sie erleichtert waren.«
»Liegt das denn nicht auf der Hand? Ich hatte Angst, dass Mrs. Main Lavinia irgendwann einmal die Wahrheit sagen würde. Aber jetzt hätte ich eine Frage an Sie: Wie sind Sie überhaupt auf mich gekommen?«
»Weil wir in einem Mordfall ermitteln und Hengistbury Manor von oben bis unten durchsucht haben. Dabei habe ich in einer Schublade die Auszüge von Marshal Mains geheimem Konto gefunden«, schwindelte Tweed.
»Werden Sie Marshal sagen, dass Sie Bescheid wissen?«
»Nein, wozu auch? Aber nur unter einer Bedingung.«
»Und die wäre?«
»Dass Sie Mr. Main einen Brief schreiben und ihm
Weitere Kostenlose Bücher