Todeskind: Thriller (German Edition)
Polizisten, angegriffen worden war, nicht unklug zu sein schein.
Als Paige seinem Blick begegnete, wusste Joseph, dass sein Instinkt ihn nicht getrogen hatte. Er und Paige hatten im Laufe der vergangenen Monate eine Freundschaft entwickelt, einen Respekt, den er bisher für gegenseitig gehalten hatte. Nun sah sie ihn mit einem Hauch Misstrauen an. Dass sie das so offen zeigte, war zwar äußerst vielsagend, nur wusste er nicht, ob es gut war oder eher nicht.
Hector Rivera und Kate Coppola standen Schulter an Schulter in ein paar Metern Entfernung. Beide wirkten, als würden sie gespannt abwarten, was als Nächstes passierte.
Mit dem Gefühl, leicht im Nachteil zu sein, ging Joseph auf Daphne zu. Selten hatte er sie in etwas anderem als Kostümen und Abendkleidern gesehen, nun trug sie einen dicken Pulli und verwaschene Jeans, die in abgetretenen Wanderstiefeln steckten.
Ganz offensichtlich war sie für draußen gekleidet. Für Schnee. Gerüstet, um bei der Suche nach ihrem Sohn zu helfen, falls es nötig werden sollte.
Sie hatte auch ihre Frisur geändert – wie viele Perücken mochte sie haben? Das nun glatte Haar war zurückgekämmt und wurde mit einer Spange am Hinterkopf aus dem Gesicht gehalten, was sie aussehen ließ wie eine Studentin und nicht wie die Mutter eines solchen. Sie wirkte jung, herzergreifend jung. Und verletzlich.
Er hätte sie liebend gern berührt, weshalb er seine Hände schnell in die Taschen schob. »Tut mir leid, dass wir ohne euch angefangen haben. Grayson brauchte eine Verbindung zu Richard Odum.«
»Ich weiß. Er lässt gerade den Beschluss unterschreiben, und Agent Lamar stellt Suchteams zusammen.«
Wenn Bo das bereits tat, konnte Joseph ruhig ein paar Minuten bleiben. Um wieder aufzuladen. In ihrer Nähe zu sein. »Das ist gut.« Und weil er plötzlich so verlegen war wie ein Teenie, der ein Mädchen zum ersten Date einlädt, musste er sich alle Mühe geben, dem dringenden Bedürfnis zu widerstehen, auf seine Schuhe zu blicken.
Paige warf ihm einen mitleidigen Blick zu und verdrehte die Augen, wodurch er sich noch dämlicher vorkam. »Wie du George dazu gebracht hast, dir etwas über Odum zu verraten – gute Arbeit!«
»Danke. Wir sollten mit dem Haus in Timonium anfangen. Wenn das Baby dort ist, dann ist es Ford vielleicht auch.«
Daphne schluckte. »Hoffentlich.«
Endlich gab er dem Bedürfnis, sie zu berühren, nach und nahm eine Hand aus der Tasche, um aufmunternd ihren Oberarm zu drücken. »Halt durch«, sagte er. »Nur noch ein kleines bisschen länger.«
Und dann ließ er seine Hand ihren Arm herabgleiten, schob seine Finger durch ihre und hielt sie fest.
Sie wandte ihren Blick noch immer nicht vom Fenster, drückte aber seine Hand mit einer solchen Verzweiflung, dass es ihm in der Seele weh tat. »Irgendwie hat mir George immer leidgetan«, murmelte sie. »Ich weiß nicht genau, wie ich das jetzt sehe. Aber ein bisschen Mitleid ist geblieben. Vielleicht bin ich einfach bescheuert.«
In Josephs Augen machte sie das umso begehrenswerter. Er räusperte sich. »Ich denke, er hat seine Wahl getroffen, Daphne. Und ich glaube nicht, dass er so dumm ist, wie alle Leute glauben.«
»Vielleicht nicht dumm. Nur allein.« Nun wandte sie sich endlich ihm zu und begegnete seinem Blick. »Glaubst du, dass sie Ford entführt haben? Bill oder George?« Ihr Tonfall ließ vermuten, dass sie sich dessen auch nicht mehr sicher war.
»Im Augenblick tendiere ich eher zu nein. Aber ich will unbedingt wissen, wer Doug ist.«
Sie betrachtete ihn prüfend. »Hast du mir alles gesagt?«
Paige sah ihn an und zog die Augenbrauen hoch. Sieh bloß zu, dass du das nicht vermasselst, Kumpel, sagte ihr Blick.
Daraus konnte er nur schließen, dass sie etwas erfahren hatten, das er noch hatte zurückhalten wollen. Sich mit Privatermittlern zu verbünden machte die Situation schwieriger, als sie ohnehin war. Er bemitleidete Grayson – musste sein Bruder sich nicht ständig vor dem fürchten, was seine Verlobte wohl alles ans Tageslicht bringen mochte?
Blödsinn. Grayson braucht ganz und gar kein Mitleid. Sein Bruder hatte gefunden, was die meisten Menschen ein ganzes Leben lang verzweifelt suchten. Eine Partnerin, die wie für ihn gemacht war. Der Gedanke, dass die Frau, die wie für ihn gemacht war, ihn vielleicht – nur vielleicht! – gerade mit ihren großen blauen Augen fragend ansah … Aber Joseph wollte keine Fragen in ihrem Blick sehen. Er wollte Vertrauen sehen. Und
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