Todeskind: Thriller (German Edition)
Menschen sind jetzt in diesem Bett, Daphne?«
»Nur du und ich.«
»Gut. Dann lass uns schlafen. Nur du und ich. Keine Alpträume mehr für heute Nacht.«
Baltimore, Maryland
Donnerstag, 5. Dezember, 6.00 Uhr
Cole wachte nur langsam auf. Sein Hals war so steif, dass er vor Schmerz das Gesicht verzog. Der Boden war hart und kalt, und er hatte nie mehr als eine Stunde am Stück geschlafen, weil Kimberly einfach nicht die Klappe halten wollte. Schließlich hatte er ihr aus Selbstschutz den Mund mit Tesa zugeklebt.
Er setzte sich auf und rieb sich den Nacken. Sah aufs Handy nach der Zeit. Die Schule begann in eineinhalb Stunden. Die Cops würden ihn dort wahrscheinlich abfangen, um ihn zu verhaften. Und wenn er nicht auftauchte, würden sie hierher zurückkommen.
Er konnte nicht länger darauf warten, dass Matt ihm den Daumen hoch zeigte. Mühsam rappelte er sich hoch und sah sich nach einem Klo um. Bestimmt hatte dieser Bunker eins. Tatsächlich entdeckte er es hinter einem Vorhang: eine Campingtoilette, die nagelneu aussah. Mitch würde an so etwas denken. Sein Bruder hatte immer einen Plan.
Als er vom Klo kam, bedachte Kimberly ihn mit einem bösen Blick. Er zog das Klebeband ab, wobei er aufpasste, nicht in die Nähe ihrer Zähne zu kommen.
»Wasser.« Sie krächzte wieder, und er hatte ein schlechtes Gewissen, dass er ihr die ganze Nacht nichts zu trinken gegeben hatte. Er reichte ihr ein paar Schlucke, dann zog er die Decke weg.
»Komm«, sagte er. »Gehen wir.«
»Ich muss auch. Dringend.«
Cole zögerte. »Aber ich binde dir die Hände nicht los.«
Sie sah ihn müde an. »Ich wiege knapp fünfzig Kilo, wahrscheinlich weniger, da dein Bruder mich offenbar verhungern lassen will. Du wiegst – hundert? Meinst du wirklich, ich bin eine Bedrohung für dich?«
Er war längst nicht so schwer, aber es tat seinem Ego gut, dass sie ihn für stärker hielt. »Ich weiß nicht …«
Sie schnaufte verärgert. »Komm schon, Kleiner. Gebrauch dein Hirn. Ich kann’s nicht mit dir aufnehmen. Lass mich pinkeln, danach kannst du mich wieder fesseln, wenn du willst. Ich will bloß zu meiner Schwester.«
Auch Cole wollte nicht, dass ihre Schwester starb. Außerdem hatte sie recht: Sie würde es tatsächlich nicht mit ihm aufnehmen können, klein und zart, wie sie war. »Na gut, meinetwegen. Aber wenn du fertig bist, fessele ich dich wirklich wieder.«
»Von mir aus.«
Er band sie los. »Beeil dich.« Sie bewegte sich nur langsam aufs Klo zu und zog das verletzte Bein nach. Sein Bruder hatte ihr das angetan. Er konnte es immer noch kaum glauben.
Mitch, was zur Hölle machst du bloß? Und wo bist du? Und wo steckte eigentlich Matt? Es war untypisch für ihn, einfach nicht wiederaufzutauchen.
Diesmal saß er wirklich schlimm in der Patsche. Er hatte eine gestohlene Pistole mit in die Schule genommen. Eine Pistole, die man einem Cop geklaut hatte, falls Kimberly die Wahrheit sagte. Und wenn man die zu mir zurückverfolgt … Die Cops würden doch niemals glauben, dass er nichts mit Mitchs schmutzigen Geschäften, worum immer es sich dabei handelte, zu tun hatte.
Ich habe diese verdammte Familie so satt! Warum hat man mich nicht adoptiert?
Kimberly kam zurückgehumpelt. »Ich muss mir das Bein neu verbinden. Es hat wieder angefangen zu bluten, während ich auf dem Klo saß.«
»Ja, okay, aber mach schnell.«
Sie humpelte zurück zur Liege und nahm die Mullbinde, die auf dem Boden daneben lag. Sie begann, ihre Hose aufzuknöpfen, dann warf sie ihm einen entnervten Blick zu. »Wenn’s dir nichts ausmacht …!«
Er verdrehte die Augen und kehrte ihr den Rücken zu. Er musste von hier verschwinden und irgendwie zum Busbahnhof gelangen. Er würde Rico in Miami anrufen, ihm sagen, dass er etwas später ankommen würde und –
Cole stöhnte. Der Schmerz in seinem Schädel war schlimmer als alles, was er je gefühlt hatte. Er versuchte sich aufzurichten, aber der Raum drehte sich, und ihm wurde schlecht. Das Miststück. Sie hatte ihm irgendwas über den Kopf geschlagen. Er blinzelte mehrmals, bis er die Kammer wieder deutlich sah. Ein Feuerlöscher lag auf dem Boden, und er erinnerte sich vage, ihn an der Wand in der Toilette hängen gesehen zu haben.
Ich bin so ein Idiot. Taumelnd kam er auf die Füße. Wie lange war er bewusstlos gewesen? Er klopfte auf seine Taschen, um auf dem Handy nach der Uhrzeit zu sehen, aber seine Jacke war leer. Sie hatte ihn ausgeraubt. Und der Rucksack war auch fort.
Er rannte
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