Todeskind: Thriller (German Edition)
gleiche Erfahrung gemacht. Jedes Mal, wenn ich an einem Entführungsfall gearbeitet habe, rissen alte Wunden auf. Ich spürte die Angst, das Entsetzen der Familien, ihre Verzweiflung und das Ticken der Uhr. Hoffnung, die aufkeimte, sobald es einen neuen Hinweis gab.«
»Und das vernichtende Elend, wenn wieder nichts daraus wurde?«
»O ja, das auch. Bei dem letzten Entführungsfall vor meinem Wechsel zum Heimatschutz war ich emotional zu stark beteiligt und drehte durch. Ich hatte den Entführer dabei beobachtet, wie er das Lösegeld einsammelte, aber er schlug mir ein Schnippchen und wollte mich nicht zu dem Kind führen. Und ich … ich rastete einfach aus. Prügelte auf ihn ein, um ihn dazu zu bringen, mir zu verraten, wo es war. Ich hätte ihn umbringen können. Nicht dass er es nicht verdient hatte …« Er zuckte die Achseln. »Jedenfalls bekamen wir die Kleine körperlich unversehrt zurück, und ich besitze die ewige Wertschätzung ihrer Familie.« Er grinste leicht. »Und darf mein Leben lang so viel Pasta Carbonara in mich hineinstopfen, wie reinpasst.«
»Hat das etwas mit dem Restaurant Giuseppe zu tun? Der Italiener, zu dem Grayson und du so gerne geht?«
»Ja, er ist der Onkel der Kleinen. Er war mir unendlich dankbar. Aber ich erkannte, dass ich diese Art von Arbeit nicht mehr machen konnte. Ich war an einem Punkt angelangt, an dem jedes Opfer Jo war. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis ich explodieren würde. Den Entführer beinahe totzuschlagen … das war mein Spiegel. Ich sah mich selbst und erschreckte mich zu Tode. Also stieg ich eine Weile aus.«
»Aber dieser Fall hier … Joseph! Das ist doch genau das, wovon du wegwolltest! Du hast gesagt, du hättest dich meinetwegen zum VCET versetzen lassen. Ich will nicht, dass du …«
»Scht. Es ist schon okay. Ich mache mir mehr Sorgen um dich. Bei diesem Fall ging es nicht darum, den Entführten zu finden, weil ich damals Jo nicht retten konnte. Hier ging es darum, deinen Sohn zu finden. Für dich. Und nun es geht darum, die anderen Mädchen aufzuspüren … um ihrer selbst willen.«
»Das ist gut«, sagte sie leise. »Ich fände es schlimm, wenn du jeden Tag aufs Neue die Situation in Paris durchleben müsstest.«
»Ich finde es schlimm, dass du deine Vergangenheit jedes Mal neu durchlebst, wenn du Mörder und Vergewaltiger und anderen Abschaum vor Gericht bringst. Das Wissen, was es dich kostet, deinen Job zu machen … es tröstet mich und lehrt mich gleichzeitig Demut. Ich weiß, dass mein Beruf mich immer wieder an meine Grenzen bringen wird. Aber nun habe ich jemanden, mit dem ich abends darüber sprechen kann. Der mich erdet und mir hilft, nicht noch eine andere Person mit ins Bett zu bringen. Ein solcher Jemand will ich auch für dich sein.«
»Das wäre schön. Aber wenn ich ehrlich bin, will ich im Augenblick vor allem, dass … dass das hier vorbei ist.«
»Das wird es bald sein.« Hoffe ich. »Schau, er biegt jetzt ins Naturschutzgebiet ein.« Joseph verließ hinter O’Hurleys Wagen die Hauptstraße. »Keine Ahnung, was wir in dieser Hütte finden werden, aber ich weiß, dass Doug dich dort haben will. Und immer, wenn ich zu analysieren versuche, warum er das alles getan hat, muss ich an etwas denken, was Scott gestern gesagt hat.«
»Scott Cooper?«, fragte sie überrascht.
»Ja. Wir sprachen über die Nachricht an der Stallwand. Scott sagte, Doug würde sicher irgendwo stecken und deine Reaktion beobachten. Es hat sich herausgestellt, dass er recht hatte. Wir haben Beweise dafür gefunden, dass jemand dich beobachtet hat.«
»Oh, mein Gott.«
»Ich wette, dass Doug auch in der Nähe der Hütte wartet und dich beobachtet. Genau deshalb habe ich Angst, dich in einen Hinterhalt zu bringen. Doug will dich leiden sehen, aber wir haben keine Ahnung, wieso.«
»Aber Doug ist nicht derjenige, der mich hierherführt. Mit dem Gasmann kann er nicht gerechnet haben.«
»Richtig. Aber ich könnte mir vorstellen, dass er glaubt, Ford würde uns herführen.«
»Weswegen er ihn im Vorgarten von dieser Miz Cornell abgeladen hat. Er wollte, dass wir ihn finden.«
»Ich muss wissen, warum Doug dich so hasst. Mir ist klar, dass du die Vorstellung ablehnst, einer der Menschen, an denen du hängst, könnte an dieser Sache beteiligt sein, aber wollen wir es nicht wenigstens einmal durchspielen? Doug kann nur von Beckett erfahren haben, wenn Beckett selbst oder die falsche FBI-Agentin ihm von Becketts Machenschaften erzählt
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