Todeskleid: Thriller (German Edition)
Obwohl Clay nicht ganz so breitschultrig war wie Grayson, blockierte sein Rücken doch Paiges Sicht.
Clay war daran gewöhnt, Leute zu beschützen, aber dass Daphne versucht hatte, sie vor einer potenziellen Gefahr zu schützen, gab Paige ein wunderbar warmes Gefühl. Dies war eine Frau, mit der sie nur allzu gerne befreundet sein wollte. Und zwar nicht, weil sie einen Schrank voller Designerkleider hatte.
»Reba«, sagte eine Männerstimme.
»Stuart«, erwiderte Reba herzlich.
Paige hörte die flüchtigen Luftküsse und entspannte sich wieder. Auch Clays Haltung wurde ein wenig lockerer, doch nicht wesentlich. Der Neuankömmling war offenbar ein Bekannter.
»Haben wir einen Termin?«, fragte Reba. »Du stehst gar nicht in meinem Kalender.«
»Nein, heute nicht«, erwiderte Stuart. »Ich wollte zu deinem Schwager.«
»Er ist, ähm, noch nicht vom Lunch zurück. Du kannst in seinem Büro warten. Aber zuerst möchte ich dich einer neuen Gönnerin vorstellen. Elizabeth Elkhart, das ist Stuart Lippman, einer der Anwälte unserer Stiftung.«
»Freut mich, Sie kennenzulernen« sagte Daphne.
»Wir sind immer ungemein froh über die Großzügigkeit unserer Förderer. Ich danke Ihnen, dass Sie uns zum Lächeln bringen.« Stuart bedachte sie selbst mit einem Lächeln, als sich die Tür zum zweiten Mal öffnete.
»Stuart!« Der Gruß kam schleppend, leicht lallend. »Schön, dich zu sehen.«
Paige konnte den Alkohol sogar aus dieser Entfernung riechen; es war, als hätte der Mann darin gebadet. Sie wusste, um wen es sich handelte: Louis Delacorte, Claires Ehemann und Rex’ Stiefvater.
Louis war damals auf dem Grundstück gewesen, als Crystal ermordet worden war. Und er war in den MAC-Jahren schon alt genug gewesen, kleine Mädchen zu belästigen, während Rex noch ein Kind gewesen war.
»Komm, gehen wir in dein Büro, Louis«, sagte Stuart. »Dort können wir ungestört reden.«
»Worüber denn?« Eine winzige Pause. »Rex hat dich angerufen, richtig? Der blöde kleine Mistkerl. Tja, du kannst gleich wieder gehen. Für diesen elenden Nichtsnutz geben wir keinen Cent mehr aus.«
»Louis.« Reba klang empört. Die Sache musste ihr höllisch peinlich sein. »Lass uns jetzt in dein Büro gehen.«
»Das ändert nichts. Claire und ich sind uns in dieser Hinsicht einig. Du kannst sie gerne anrufen, wenn du mir nicht glaubst.«
»Genau, rufen wir sie an«, sagte Stuart beruhigend. »Dann klären wir das.« Die beiden Männer gingen auf die Reihe von Türen dem Empfang gegenüber zu. Paige beugte sich etwas nach rechts, so dass sie um Clay herumsehen konnte. Der Anwalt hatte die Hand auf die Schulter des größeren Louis gelegt, um ihn sanft vorwärtszudirigieren, aber Louis blieb stehen und drehte sich um.
Er musterte sie langsam von Kopf bis Fuß, und als er wieder bei ihrem Gesicht ankam, war ihr klar, dass er sie erkannt hatte. Er hat mich gestern gesehen, nachdem wir mit Rex gesprochen haben. Seine Überraschung legte sich rasch, und erneut ließ er seinen Blick abwärtsgleiten, diesmal anzüglich. Er zwinkerte ihr zu. Paige schauderte, drückte intuitiv auf den Kugelschreiber und schoss ein Foto von Louis Delacorte.
Eine Sekunde später waren er und Stuart in einem der Zimmer verschwunden und hinterließen eine drückende Stille.
Reba räusperte sich. »Tut mir leid. Er ist, na ja …«
»So einen gibt es in jeder Familie«, sagte Daphne freundlich. »Danke, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben.«
»Ich danke Ihnen«, entgegnete Reba steif. »Und ich freue mich darauf, Sie bei der Benefizveranstaltung wiederzusehen.« Mit gerötetem Gesicht öffnete Reba McCloud die Tür und geleitete sie hinaus.
22. Kapitel
Donnerstag, 7. April, 16.00 Uhr
»Alles okay?«, fragte Joseph.
Grayson wandte sich vom zähen Verkehr vor ihm ab und seinem Bruder zu. »Nein. Ich habe noch nie gesehen, wie jemand sich das Hirn aus dem Schädel pustet. Ich hätte nie gedacht, dass die Formulierung es tatsächlich trifft.«
»Es ist leider nichts, was sich schnell wieder verdrängen lässt«, sagte Joseph ernst. »Hör zu, wenn du Paige abgeholt hast, fahrt ihr zwei zu mir und schlaft ein bisschen. Euch geht langsam die Energie aus. Ich lege mich auf die Couch, wenn es euch hilft.«
»Dafür wäre ich dir dankbar.« Und das entsprach der Wahrheit. Aber im Moment brauchte er sie. So sehr, dass es ihm hätte Angst machen sollen. »Aber ich weiß nicht, ob ich ›schlafen‹ kann, wenn ich weiß, dass du auf dem Sofa
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