Todeskleid: Thriller (German Edition)
während er sie genauer ins Auge fasste. In natura war sie sogar noch umwerfender als auf dem Film. Sie war größer, als er gedacht hatte, die Haare sehr lang. Ihr Gesicht war nicht mehr leichenblass, sondern leicht gebräunt, schwer festzustellen, ob das an ihren Genen lag oder ein Rest Sommerbräune war.
Sie hatte eine sinnliche Figur: Die elegante schwarze Hose konnte nicht verbergen, dass ihre Beine lang und ihre Hüften wohlgerundet waren, der schwarze Pullover schmiegte sich eng an ihre üppigen Brüste, ohne wirklich etwas zu zeigen.
Die Augen, mit denen sie ihn nun eingehend musterte, waren dagegen genauso schwarz, wie sie auf dem Clip ausgesehen hatten. Ja, sie beobachtete ihn tatsächlich, auch wenn er keinen blassen Schimmer hatte, warum.
»Danke, Mr. Smith, vielen Dank.« Die bebende Stimme riss Graysons Aufmerksamkeit wieder zurück zu den Familien. Eine ältere Frau hatte seine Hand genommen. Sie war die Großmutter eines der Opfer, in ihren Augen schimmerten Tränen. »Ich danke Ihnen.«
»Gern geschehen«, sagte er leise und legte seine Hand über ihre.
Sie hob leicht das Kinn. »Meine Enkelin kann nun in Frieden ruhen, und das kann ich auch.«
Die anderen Familienmitglieder scharten sich um sie. Nun konnten sie endlich Abschied nehmen. Obwohl ihr Verlust sich niemals wieder gutmachen ließ, hatten sie wenigstens diese Erleichterung in ihrem Schmerz. Als er die letzte Hand geschüttelt hatte, blickte er auf. Die Frau war immer noch da. Ihr roter Mantel lag sauber gefaltet über ihrem Arm.
Man brauchte keinen hochkarätigen Abschluss in Jura, um sich denken zu können, dass es hier um Elena Muñoz ging. Als er sich in Bewegung setzte und auf sie zukam, schlüpfte sie rasch aus der Saaltür. Bis er die Halle erreicht hatte, war sie nirgendwo mehr zu sehen.
»Die Frau aus dem Video«, sagte Daphne. »Kennst du sie?«
»Nein«, antwortete Grayson. »Du?«
»Ich auch nicht. Aber ich wette meinen Hintern darauf, dass du sie bald kennenlernst. Wirst du Morton und Bashears sagen, dass du sie hier im Gericht gesehen hast?«
»Nein«, murmelte er und war froh, dass sie ihn nicht nach dem Grund dafür fragte, denn er wusste selbst keinen. »Na komm, es ist Showtime!« Seite an Seite traten sie aus dem Gerichtssaal und mitten hinein in die Schar der wartenden Reporter.
»Mr. Smith! Mr. Smith!«
Grayson verdrängte den Gedanken an die ominöse Frau und widmete seine Aufmerksamkeit den Presseleuten. »Das war ein Sieg für die Opfer«, sagte er, »und der ersehnte Abschluss für die Familien. Wir sind sehr zufrieden mit der Entscheidung der Geschworenen. Heute wurde der Gerechtigkeit Genüge getan.«
Etwas Rotes blitzte in seinem Augenwinkel auf, und er wandte leicht den Kopf nach links. Da stand sie, inmitten der Menschenmenge, in ihrem roten Mantel, und nickte ihm kaum merklich zu. Dann zog sie die Kapuze hoch, um ihr Gesicht damit zu verbergen, und ging davon.
»Alles Weitere wird von unserer Pressestelle bekanntgegeben«, rief Grayson und lief, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die breite Treppe hinunter in die Richtung, die die Frau eingeschlagen hatte.
»Willst du mit ihr reden?«, fragte Daphne, die ihm dicht auf den Fersen folgte. Ihre Absätze klackerten auf dem Straßenpflaster, während sie mit ihm Schritt zu halten versuchte.
»Falls ich sie einholen kann«, erwiderte Grayson grimmig. Und falls sie nicht längst um die nächste Ecke verschwunden ist.
»Und was machst du, wenn nicht?«
Grayson dachte an das Schild hinter Phin Radcliffe heute Morgen am Tatort. Brae Brooke Village Apartments. »Immerhin weiß ich, wo sie wohnt.«
»Wie jetzt wohl jeder in der freien Welt mit einem Internetanschluss.«
Wieder musste er an Elena mit dem Loch in der Stirn denken. »Ich weiß. Tu mir einen Gefallen. Geh ins Büro und versuch, über sie herauszufinden, was immer du kannst.«
»Angefangen mit ihrem Namen?«, fragte Daphne.
»Genau. Das ist ein guter Anfang. Danke, Daphne.«
Die Frau wohnte in den Außenbezirken der Stadt. Wenn sie mit dem Auto gekommen war, musste sie irgendwo geparkt haben. Einen Block weiter befand sich ein Parkhaus. Bitte sei da. Lass mich dich finden.
Dienstag, 5. April, 11.50 Uhr
Na toll. Sehr sinnvoll. Paige kehrte mit so schnellen Schritten, wie es ihre lädierten Knie erlaubten, zu ihrem Pick-up zurück. Ich werde schon wissen, ob ich ihm vertrauen kann, dachte sie sarkastisch. Na klar.
Sie kam, sah … und ging noch verunsicherter als zuvor. Alles,
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