Todeskleid: Thriller (German Edition)
wohl auch eine Botschaft. Man hatte nicht ihn für den Überfall im Parkhaus engagiert, weil er es heute Morgen nach dem Mord an Elena versäumt hatte, sie zu töten, obwohl sie in seinem Fadenkreuz gewesen war.
Doch nicht nur in seinem: Sie war außerdem im Fadenkreuz eines Halbwüchsigen mit Camcorder gewesen, und auch dieses Video hatte Silas gesehen, während er auf Delgado gewartet hatte. Es hatte ihn beunruhigt, dass man die Aufnahme geschnitten hatte. Er musste herausfinden, was in den fehlenden Minuten zu sehen gewesen war. Er musste herausfinden, ob der Halbwüchsige, der den Film gemacht hatte, irgendetwas von ihm auf Band aufgenommen hatte. Bei der heutigen Software zur Gesichtserkennung würde selbst ein flüchtiger Moment ausreichen, um ihn zu identifizieren.
Laut seiner Quelle im Baltimore Police Department war allgemein bekannt, wer den Film gemacht hatte: Ein Junge namens Logan Booker, der in der Wohnung über Holden wohnte. Doch sowohl Booker als auch dieser verdammte Reporter Phin Radcliffe weigerten sich offenbar, das ungeschnittene Material ohne richterliche Anordnung herauszugeben.
Silas musste das Band zu sehen bekommen. Und wenn es nur für meinen eigenen Seelenfrieden ist. Aber zuerst hatte er einen anderen Job zu erledigen. Roscoe »Jesse« James würde heute Abend die Lektion für sein Versagen erteilt bekommen. Und ich, der ich dafür zuständig bin, genauso.
7. Kapitel
Dienstag, 5. April, 18.20 Uhr
Grayson sah erneut in den Rückspiegel. Er hatte nicht den Eindruck, als würde man ihnen folgen, aber im Dunkeln war es schwer zu sagen, zumal es erneut zu regnen begonnen hatte. Im Wageninnern war nichts zu hören außer dem Geräusch der Scheibenwischer und dem Hecheln des Hundes, der den größten Teil der Rückbank einnahm.
Paige war eingeschlafen, kaum dass sich der silberne Nissan Infiniti in Bewegung gesetzt hatte. Ihr Kopf war gegen seine Schulter gesunken, und sogar im Schlaf machte sie ein besorgtes Gesicht. Am liebsten hätte Grayson ihre Stirn mit dem Daumen geglättet.
Er glaubte nicht daran, dass ihnen dieser Ausflug viel bringen würde. Delgado würde nicht reden – nicht, wenn er nicht ein teuflisch schlechtes Gewissen hatte. Aber nach Graysons Erfahrung gestanden die Leute nur äußerst selten Geheimnisse, die sie schon viele Jahre bewahrt hatten, und schon gar nicht, wenn sie jemanden zu schützen versuchten.
Sie waren nur noch wenige Meilen von Delgados Haus entfernt, als Graysons Handy in der Tasche summte. Vor einer halben Stunde hatte er Stevie anzurufen versucht, aber nur ihre Mailbox erreicht. Hoffentlich war sie es. Er tippte die Freisprechfunktion an. »Smith hier«, sagte er leise, damit er Paige nicht weckte.
»Weiß ich.«
Grayson unterdrückte ein Seufzen. Dann mal los. »Hi, Mom.«
»Warum flüsterst du?«, flüsterte seine Mutter laut.
»Weil ich im Auto sitze und neben mir jemand schläft.«
»Der Jemand ist sehr fotogen. Du auch, versteht sich.«
»Versteht sich. Also …« Nun seufzte er doch. »Was willst du wissen?«
»Hauptsache, du weißt später noch, dass du gefragt hast«, versetzte sie leicht schnippisch. »Wann werde ich denn deinen Jemand kennenlernen? Sie hat einen guten Geschmack, was Mode betrifft. Der rote Mantel war sehr schick.«
»Bis er blutdurchtränkt war«, versetzte er grimmig.
»Ja, da war doch noch was«, gab seine Mutter zurück. »Bist du in Gefahr, Grayson?«
»Nein. Aber sie schon.«
»Dann passt du auf sie auf.« Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.
Seine Mutter hatte auf ihn aufgepasst, hatte ihre Geheimnisse bewahrt, hatte ihn von jenen abgeschirmt, die ihn buchstäblich zerrissen hätten. Sie war eine Löwin gewesen, die ihr Junges beschützt hatte, und sie hatte sich jeder potenziellen Bedrohung entgegengestellt. »Ich hatte eine hervorragende Lehrerin.«
»Du weißt immer, was du sagen musst«, murmelte sie. »Dein Jemand hat großes Glück.«
Er warf einen schnellen Blick über die Schulter zu dem Hund, der seinen Blick nicht von Paige abwandte. Er steht zwischen mir und der Welt. Dass ihr Beschützer ein Hund war und kein Mensch, der sie liebte, machte ihn traurig. Er ahnte, dass sie keine Mutter wie die seine gehabt hatte. »Ich glaube, du würdest sie mögen.«
»Genau das möchte ich herausfinden. Du hast mir versprochen, morgen mit mir essen zu gehen. Ich habe bei Giuseppe reserviert. Für drei. Eigentlich wollte ich Carly einladen.«
Grayson zuckte zusammen. Er und Carly waren
Weitere Kostenlose Bücher